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Gillian Shields - Die Schwestern der Dunkelheit - 02

Gillian Shields - Die Schwestern der Dunkelheit - 02

Titel: Gillian Shields - Die Schwestern der Dunkelheit - 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Das heilige Feuer
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über die Oberste Mistress. Seit ich die Schwelle von Wyldcliffe übertreten hatte — das wurde mir plötzlich klar –, hatte ich damit gerechnet, dass Mrs. Hartle zu mir heruntergeschwebt kam, groß, elegant und kalt, wie sie es an meinem ersten Tag getan hatte. Es war schwer, sich in Erinnerung zu rufen, dass sie nicht mehr da war und wie eine böse Bienenkönigin über die Schule wachte. Obwohl sie weg war, musste ich zugeben, dass ich noch immer Angst vor ihr hatte.
    Um besser hören zu können, was die anderen Mädchen sagten, bückte ich mich und tat so, als würde ich mich mit meinem Schuh beschäftigen. Wilde Gerüchte waren seit Mrs. Hartles Verschwinden im Term zuvor in den Reihen der Mädchen von Wyldcliffe kursiert: dass sie Geld von der Schule gestohlen hatte und aufs Land geflohen war; dass sie mit einem heimlichen Liebhaber weggelaufen war; dass sie von einem wahnsinnigen Mörder entführt worden war. Nicht mehr lange, und jemand würde Außerirdische dafür verantwortlich machen. Keine von ihnen konnte sich vorstellen, dass die Wahrheit noch verrückter war als jedes Gerücht.
    Die tratschenden Mädchen gingen an mir vorbei: »… hoffe ich, dass sie uns sagen, was passiert ist …« »Es ist unheimlich, nicht Bescheid zu wissen …« Sie achteten nicht auf mich. Für sie war ich nur die doofe alte Evie Johnson, eine Stipendiatin, eine Außenseiterin, die im letzten Term beinahe von der Schule geflogen wäre,
weil sie die Gedenkprozession zu Ehren von Lady Agnes Templeton gestört hatte. Ich war ein Niemand.
    Nachdem sie gegangen waren, richtete ich mich wieder auf und erinnerte mich an das Stück Papier. Ich zog es aus meiner Tasche. In kleinen, schwarzen Buchstaben hatte jemand geschrieben:
    AGNES IST TOT. LAURA IST TOT.
DU WIRST DIE NÄCHSTE SEIN.
    Wer immer das geschrieben hatte, hatte keine Zeit verschwendet. Dies war eine Kriegserklärung.

Sieben

    I m Speisesaal mit seinen Reihen von Holztischen und Bänken herrschte Dämmerlicht, als ich dort ankam. Der Tisch, an dem die Lehrerinnen saßen, befand sich auf einer leicht erhöhten Plattform am Ende des Saals, der sich allmählich mit Mädchen füllte, die alle die gleiche rotgraue Kleidung trugen. Ich musterte rasch ihre Gesichter, dann ging ich dorthin, wo ein großes, hübsches Mädchen ganz allein saß. Ihre blasse Schönheit wurde von einer Aura der Traurigkeit überschattet, die sie umgab.
    »Helen«, sagte ich leise und glitt auf den Platz neben ihr. »Ich habe dich sehr vermisst.«
    Helen sah auf, und ich wusste, dass sie geweint hatte. In diesem Moment lösten sich sämtliche Vorstellungen meinerseits, ihr von der Nachricht zu erzählen, die ich gerade gefunden hatte, in Nichts auf. Es sah ganz so aus, als hätte sie auch so schon genug Sorgen.
    »Es tut mir leid, Evie«, sagte sie leise. »Ich hätte mit Sarah darauf warten sollen, dass du kommst, aber ich konnte einfach nicht. Ich bin den ganzen Nachmittag draußen herumgelaufen, habe mich vor Celeste und ihrer Gang versteckt und versucht, den Mut aufzubringen, den anderen gegenüberzutreten.«

    »Du musst völlig durchgefroren sein, wenn du da draußen im Schnee gewesen bist! Abgesehen davon kannst du dich nicht den ganzen Term über vor Celeste verstecken, Helen. Du darfst nicht zulassen, dass sie die Oberhand über dich gewinnt.«
    »Ich weiß, ich weiß. Es wird trotzdem sehr schwer werden, all das Gerede über Mrs. Hartle zu hören.« Ihre Stimme wurde jetzt so leise, dass ich sie fast nicht mehr verstehen konnte. »Über meine Mutter …«
    Niemand von den anderen Schülerinnen von Wyldcliffe wusste, dass Helen die Tochter von Celia Hartle war. Mrs. Hartle hatte Helen als Kind in ein Heim gegeben und vor einem Jahr heimlich mit ihr Kontakt aufgenommen, um sie nach Wyldcliffe zu holen. Sie hatte Helen gedrängt, dem Hexenzirkel beizutreten, und sie dann grausam zurückgewiesen, als Helen sich geweigert hatte.
    »Jetzt, da sie weg ist, tut es weh, dass ich niemanden wissen lassen darf, dass sie meine … na ja, meine Familie war«, sprach Helen weiter. »Klingt das nicht verrückt? Als sie hier war, war ich so wütend auf sie, weil sie nicht die Wahrheit über mich gesagt hat. Ich habe so viel verbergen müssen, mein ganzes Leben lang. Ich verberge immer noch etwas. Es gibt mir das Gefühl, ich würde gar nicht existieren. « Sie zupfte nervös am Ärmelaufschlag ihres Pullovers. »Ich habe sie gehasst, weil sie in dem Hexenzirkel gewesen ist, und für das, was sie Laura

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