Girl
auf eine Taste, und der Drucker surrte los. Fünfzehn Sekunden später reichte er mir das Abbild meines neuen Ichs.
Jetzt brauchte er mich bloss noch ein paar Stunden in den Tiefschlaf zu schicken, sich mit dem Skalpell an die Arbeit machen, und danach würde mir beim morgendlichen Blick in den Spiegel eben jenes Gesicht entgegenstrahlen. Und im Gegensatz zu meinem alten brauchte man dieses neue Gesicht nicht einmal mehr zu rasieren. Statt dessen ging es um Makeup und Haarspray. Merkwürdig …
»Sie wird bildhübsch aussehen«, sagte Carrie. Bei dem Wort ›sie‹ musste ich kurz aufgeschreckt sein, denn Dr. Fielden legte mir wie zur Beruhigung eine Hand auf meinen Arm und sagte: »Sie müssen sich an Ihre neue Rolle gewöhnen, Bradley. Wenn Sie sich für eine vollkommene Geschlechtsanpassimg entschieden haben, wird keiner der Ärzte, Schönheitstherapeuten oder das medizinische Personal sie anders bezeichnen oder auch behandeln als eine ganz normale Frau.
Sie werden Mrs. Barrett sein, nicht mehr Mr. Barrett. Man wird ›Liebste‹ oder ›Schatz‹ zu Ihnen sagen, aber nicht mehr Kumpel. Und man wird von Ihnen erwarten, dass Sie sich wie eine Frau verhalten. Also keine weiteren Besuche auf der Männertoilette, wenn es Ihnen nichts ausmacht.«
Sie lächelte mich freundlich an. »Glauben Sie, dass Sie damit umgehen können?«
»Ich weiß nicht«, sagte ich. »Ich will’s versuchen.«
»Gut«, sagte sie. »Bevor wir uns jetzt verabschieden – wenn Sie damit einverstanden sind, Mr. Mandelson – gäbe es da noch ein kleines Detail zu berücksichtigen. Den Namen.
Schliesslich können Sie schlecht das Aussehen des bezaubernden Mädchens auf dem Bildschirm erhalten und sich weiterhin Bradley nennen, oder?«
21. Dezember
Dr. Fielden ist heute auf einen kurzen Plausch zu mir ins Zimmer gekommen. Ich denke, sie war ein wenig ängstlich, wie ich reagieren würde – vermutlich haben sie ihr erzählt, wie es dem letzten Seelenklempner ergangen ist, der mit mir sprechen wollte –, aber ich war überglücklich, sie zu sehen.
Es gab da ein paar Dinge, die ich unbedingt wissen musste. »Was wird mit mir geschehen? Ich meine, wie werde ich mich fühlen? Also, wenn ich mich verändere, werde ich dann beispielsweise von heute auf morgen auf Typen stehen?«
Sie versuchte nicht, mir irgendwas vorzumachen, was ich positiv wertete.
»Um die Wahrheit zu sagen, ich weiß es nicht«, sagte sie. »Diese Dinge lassen sich nicht vorhersagen. Sehen Sie, das ist ein Bereich mit unzähligen Variablen und Unbekannten. Um auf Ihre Frage nach der Sexualität zu antworten: Es gibt Patienten, die sich zu Männern hingezogen fühlen und dies den Hormonen zuschreiben. Sie glauben fest an eine Art chemischen Magnetismus, wenn Sie so wollen, der vorher nicht da war. Aber wer wollte schon sagen, was da tatsächlich vor sich geht?
Ich kenne Transsexuelle, die von der Männer- auf die Frauenseite übergewechselt sind und feste Beziehungen mit Männern haben. Sie sind geradezu überglücklich darüber, die klassische Hausfrauenrolle zu übernehmen. Je mehr man sie als kleines Frauchen behandelt, desto zufriedener sind sie.«
Was sie da sagte, gefiel mir ganz und gar nicht. Ich hätte nichts dagegen gehabt, mit einer Hausfrau verheiratet zu sein, aber ich hatte nicht die geringste Absicht, eine zu werden. Aber Dr. Fielden war noch nicht zu Ende, wobei auch ihre weiteren Ausführungen wenig aufbauend waren.
»Das sexuelle Stereotyp, das von vielen biologischen Frauen abgelehnt wird, ist eben gerade das, von dem chirurgisch entstandene Frauen seit vielen Jahren träumen, oft sogar seit Jahrzehnten. Einige Transsexuelle werden gar zu Prostituierten. So als könnten sie sich um so mehr als Frauen fühlen, je mehr sexuelle Kontakte zu Männern sie haben. Andererseits werden ungefähr zwanzig Prozent lesbisch. Als Männer hatten sie keinerlei Interesse an Sex mit Frauen, aber aus irgendeinem Grund finden sie es jetzt, da sie selbst Frauen sind, ungemein stimulierend.«
»Ich werd’ verrückt«, sagte ich. »Ich hatte ja keine Ahnung, dass das so kompliziert ist.«
»Das ist gerade mal der Anfang«, sagte Dr. Fielden. »Seit Jahrzehnten wird über die Unterschiede zwischen Mann und Frau gestritten. Sind sie biologischer Art, oder sind sie gesellschaftlich konditioniert? Nun, wenn man sich auf das Gebiet der Geschlechtsumwandlung begibt, werden diese Probleme um ein Vielfaches multipliziert und unendlich kompliziert.
Beispielsweise die Frage, ob
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