Girl
verlassen«, sagte Dad, und wieder gab’s eine Runde Applaus.
»Wie dem auch sei«, fuhr er fort, »die ganze Geschichte war überaus… nun, ich glaube, heutzutage nennt man so was traumatisch, für alle Beteiligten. Aber vor allem für Bradley. Er hat furchtbar gelitten. Er hat seine, seine … Männlichkeit verloren, seinen Job, alles. Er stand tatsächlich am Abgrund. Und ich kann nur sagen, wenn ich einen von diesen Schmierenreportern in die Finger kriege, die diese gemeinen Lügen über meinen Jungen verbreitet haben, während er im Krankenhaus lag, dann, also dann bin ich nicht mehr verantwortlich für das, was geschieht… soweit dazu.«
Es gab wieder Beifall und ein paar Zurufe wie »Gib’s ihnen« und »Schweine-Reporter«.
Dad setzte seine Rede fort. »Also, Bradley hat sich von fachkundiger Seite beraten lassen, und man hat ihm versichert, dass das, was ihm angetan wurde, unter keinen Umständen rückgängig zu machen ist. Also bleibt ihm nur eine Möglichkeit, nämlich die Dinge so zu akzeptieren, wie sie nun einmal stehen, und sein Leben zu ändern – von Grund auf.
Und deshalb kann Bradley heute Abend nicht hier sein. Ich habe meinen Sohn für immer verloren. Statt dessen habe ich eine neue Tochter, Jackie.« Er sah sich im Raum um. »Wo bist du, Liebes? Komm zu mir, damit dich alle sehen können.«
Ich bahnte mir einen Weg durch die Gäste, mit gesenktem Kopf und zusammengekniffenen Lippen, und wollte vor Scham im Boden versinken. Als Dad mich sah, sagte er: »Kopf hoch, Mädchen. Du hast keinen Grund, dich zu schämen.«
Also holte ich tief Luft und trat zu ihm. Und in dem Augenblick fingen alle an zu klatschen und Beifall zu rufen, und es waren sogar ein paar Pfiffe darunter.
Dad hob die Hände. »Ich gebe zu, ich war ziemlich geschockt, als ich von … von Jackies Plänen erfuhr. Aber ich möchte hier vor meiner Familie und all meinen Freunden sagen, dass ich heute genauso stolz auf sie bin, wie ich es immer war, und ich weiß, dass Rita, ihre Mutter, ebenso fühlt. Wir lieben unsere neue Tochter. Wir sind sicher, sie wird ein umwerfendes Mädchen.«
Dann waren überall »Oohs« und »Aahs« zu hören, und ich sah, wie einige Frauen sich Tränen aus den Augen wischten. Aber das war alles nichts gegen das, was Dad als nächstes vom Stapel ließ.
»Die Musik legt gleich los, und wir möchten mit einem Stück beginnen, das für Rita und mich immer
unser
Song war. Ihr kennt es bestimmt alle. Und ich möchte dich, Jackie, um den ersten Tanz bitten.«
Den Frauen, die vorher geschnieft hatten, kullerten jetzt nur so die Tränen. Die »Oohs« und »Aahs«, die »Bravo«-Rufe und der Beifall schwollen zu einem einzigen Getöse an. Dann schmiss der DJ die Musik an und übertönte den Lärm des Publikums mit einem Song, den ich auf jeder Neujahrsparty gehört hatte, die Mum und Dad je gegeben haben, seit ich ein kleiner Junge war. Es war Andy Williams.
»You’re just too good to be true«, sang er, während Dad meine Hand nahm und mich auf die Tanzfläche führte.
Bei der zweiten Zeile fiel Dad mit ein: »Can’t take my eyes off you …«
»Achtung, Dad«, sagte ich. »Sing nur nicht, ›I’m heaven to touch‹.«
Wir schoben noch ein paar Schritte übers Parkett, bis der Song seinem Höhepunkt entgegensteuerte – da-da, da-da, da-da-da-da – und alle auf die Tanzfläche strömten und aus voller Kehle schmetterten:. »I love you baby, and if it’s quite all right…« Nur Dad blickte mich ernst an und sagte: »Du wirst es schaffen, nicht wahr?«
»Keine Sorge, Dad, ich werde es bestimmt schaffen.«
2. Januar
Mir geht es wirklich gut. Soviel weiß ich jetzt. Ich habe gesagt, dass auf der Party alles mehr oder weniger glatt lief. Und so war es auch. Vieles war einfach toll, und die Leute hätten nicht freundlicher zu mir sein können. Und ich schäme mich nicht zu sagen, dass, als ich an diesem Abend im Bett lag und über Dads Worte nachdachte, mir Tränen in die Augen stiegen.
Andererseits ist mir aber auch klar geworden, dass ich noch einen verdammt langen Weg vor mir habe. An Kleider und Schuhe mit Absätzen hatte ich mich erstaunlich schnell gewöhnt. Nach einer halben Stunde hatte ich praktisch vergessen, dass ich sie trug (obwohl ich einige Stunden später nachhaltig daran erinnert wurde, als meine Zehen, die sich wie ausgepresste Zitronen anfühlten, Blasen bekamen und meine Waden durch die ungewohnte Fuß Haltung anfingen zu schmerzen).
Aber ich bewege mich nach wie vor
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