Girl
befahl mir, mich auf den Film zu konzentrieren.
Was ich dann auch tat, und ehrlich gesagt, der Streifen ist gar nicht mal so schlecht. Die Musik gefällt mir. Aber eins kapier ich beim besten Willen nicht. Warum schießen sie ihren Ehemann nicht einfach auf den Mond und hauen zusammen ab? Kate meinte, gerade darum gehe es ja. Der Film sei eben deshalb so romantisch, weil die beiden nicht zusammen abhauen. Wir redeten uns immer noch die Köpfe heiß, als sie meine Garderobe zusammensuchte.
Dummerweise steht sie auf diese langen, weiten Kleider, die mit Blümchen und weiß Gott was bedruckt sind. Dieser alternative, hippiemässige Look. Kommt vermutlich prima an, wenn sie Zigeunern Rechtsbeistand leistet oder auf einem Wohltätigkeitsfest für behinderte, obdachlose lesbische Wale Kartoffelchips verteilt. Ist bloß nicht so mein Geschmack.
»Hast du nicht irgendwas, na ja … Peppigeres? So in Richtung Designer-Look?« fragte ich.
»Ich hör wohl nicht recht. Da bist du seit ungefähr zehn Minuten meine Schwester, und schon nörgelst du an meiner Art mich zu kleiden herum …«
»Nein, überhaupt nicht. Ich meine, dir steht so was prima. Nur bin ich immer auf Frauen abgefahren, die, na ja, ein bisschen mehr sexy waren, und da dachte ich eben…«
»Was willst du damit sagen? Dass ich unattraktiv sei? Nur weil ich momentan keinen Freund habe, heißt das noch lange nicht…«
»Nein, darum geht es doch gar nicht.«
Es war ein einziges Durcheinander. So, als ob ich ein Minenfeld betreten hätte. Eine falsche Bewegung, und meine Schwester ging hoch. Und je weiter ich mich vorwagte, desto schlimmer wurde es, weil es hier zweifellos um irgendwelche hochbrisanten Frauenfragen ging, von denen ich auch nicht den leisesten Schimmer hatte.
»Ich will damit nur sagen«, versuchte ich zu erläutern, »dass ich mich früher ganz anders gesehen habe, als du dich siehst, wenn du mir das gestattest, und ich sehe keinen Grund, warum das jetzt anders sein sollte. Und deshalb habe ich mich gefragt, ob du nicht etwas, na, sagen wir, Peppigeres für mich hättest, etwas weniger Schlichtes und Unprätentiöses …«
Sie blickte mich wenn schon nicht voll überzeugt, so doch zumindest eine Spur weniger beleidigt als zuvor an. »Also, ich habe da diesen Rock von Kookai, den ich kaum getragen habe. Für meinen Geschmack sehe ich darin zu nuttig aus. Könnte dir aber vielleicht stehen …«
Ich hatte die Anspielung wohl verstanden. Kleine miese Ratte. Aber ich hatte keine Lust auf eine weitere Auseinandersetzung. Ich lächelte und sagte: »Klingt interessant.«
Kate kramte in der untersten Schublade ihrer Schlafzimmer Kommode und kehrte mit einem roten Plissee-Rock aus seidigem Material und mit elastischem Bund zurück. Sie hielt ihn sich vor, und ich sah, dass er ihr gerade mal bis halb über die Schenkel reichte. Wie ich schon sagte, Kate ist ziemlich füllig, und ich vermute, der wahre Grund dafür, warum sie den Rock so selten getragen hatte, hatte mehr mit ihrer Figur als mit ihrem Geschmack zu tun.
»Tja, das dürfte tatsächlich ein wenig gewagt sein«, sagte ich.
»Also was fällt dir …«
»Oh… nichts weiter. Ich denke, ich zieh ihn mal an. Und was dazu?«
Wir einigten uns auf eine dunkle Strumpfhose, eine cremefarbene Seidenbluse und einen breiten schwarzen Gürtel. Dazu die neuen Schuhe. »Also«, sagte ich. »Du gehst jetzt in die Badewanne oder machst sonst irgendwas. Und ich schlüpfte in aller Ruhe in diesen Stapel Klamotten.«
»Meinst du, du kriegst das alleine geregelt?«
»Aber klar doch. Was soll daran so schwer sein?«
Nichts, war die Antwort. Die Bluse musste links geknöpft werden, was gewöhnungsbedürftig war. Den Rock musste ich einfach überziehen und oben mit dem Gürtel festmachen.
Ich betrachtete mich im Spiegel. Das Merkwürdige war, ich fand mich gar nicht mal schlecht. Die dürren Beine und meine knubbeligen Knie waren natürlich ein echtes Handicap, und auch für meine Haare, die eindeutig nach Männerfrisur aussahen, musste ich mir etwas einfallen lassen. Zuerst dachte ich an einen von Kates Hüten, aber auf der Silvesterparty meiner Eltern würde niemand mit Hut rumlaufen.
Auf Kates Frisiertisch stand ein Drehspiegel aus Holz. Über den beiden Aufhängern hingen jede Menge Haarreifen und Gummis.
Zuletzt entschied ich mich für einen schwarzen Haarreifen mit einer gepunkteten Seidenschleife darauf. Ich steckte ihn mir ins Haar, wobei ich vorne ein paar Strähnen freizupfte, während der
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