Girlfriend in a Coma
blind ist.«
»Hamilton hat schon seit dem Kindergarten solches Zeug geredet. Ich habe ihn und deinen Vater mein ganzes Leben lang gekannt.«
»Wenigstens hattest du ein paar Freunde. Ich habe keinen einzigen mehr. Jenny fehlt mir wirklich sehr.«
Sie reicht mir einen Stapel von Jennys CDs und sagt: »Willst du ein paar CDs? Jede Menge Dance-Mixes.«
»Nein danke.«
»Geh weg.«
»Was ist los, Megan?«
»Ich sagte, geh weg.«
»Bist du einsam?«
»Nein!«
»Du kannst es mir ruhig sagen. Vermißt du Jenny?“
»Die hinterhältige Mistkuh?“
»Ja, die hinterhältige Mistkuh.«
Megan schweigt eine Minute, und ich lasse ihr so viel Zeit, wie sie braucht. »Ich vermisse sie. Ich bin einsam. Ich möchte über was anderes reden.“
»Worüber?«
»Keine Ahnung. Such dir was aus.«
»Na schön. Ich will dir eine simple Frage stellen: Sag mir wie ist es, in dieser jetzigen Welt zu leben?“
»Das ist eine simple Frage?“
»Na ja, es ist eine gute Frage. Versuch's einfach.“
»Ihr Trolle gebt einfach keine Ruhe. Okay. Mal überlegen.« Sie schließt Jennys Tagebuch und lehnt sich zurück an die Wand. Jane liegt neben ihr auf dem Bett. »Die jetzige Welt. Mensch, Jared, da wird eine Party nach der anderen gefeiert. Ist alles unheimlich lustig. Uuh. Ich habe so viel Spaß, daß es weh tut.« Sie macht eine Geste, als hätte sie Seitenstiche. »Was glaubst du denn, du Schwachkopf? Jeder Tag ist wie ein Sonntag. Nie passiert etwas: Wir sehen uns Videos an. Lesen ein paar Bücher. Kochen Essen aus Tüten oder Dosen. Frische Lebensmittel gibt es nicht. Nie klingelt das Telefon.
Nie passiert etwas. Keine Post. Der Himmel stinkt - als alle gestorben sind, hat niemand die Reaktoren und die Fabriken abgestellt. Es ist erstaunlich, daß wir überhaupt noch hier sind.«
»Warst du überrascht, als die Welt unterging?« Megan rutscht auf dem Bett hoch, um es sich bequemer zu machen. »Ja. Nein. Nein - war ich nicht. Es war irgendwie so, als fiele die ganze Welt ins Koma. Daran bin ich gewöhnt. Ich sage das nicht, damit du Mitleid mit mir hast. Es ist einfach die Wahrheit.« Sie zündet sich eine von Jennys ein Jahr alten Zigaretten an. »Schmecken immer noch mentholfrisch. Hast du je geraucht?“
»Ich? Nein. Ich war Sportler.«
»Irgendwie bist du süß. Hast du's schon mal mit jemandem gemacht?«
»Das ein oder andere Mal. Warum willst du das wissen?“
»Hier herrscht ein gewisser Mangel an süßen Typen.« Ich gehe dichter heran und sehe Megan deutlicher: rosafarbene, windgepeitschte Haut, das Weiß der Augen so klar wie ein Glockenspiel. »Hast du schon mal -«, sage ich, ohne den Satz zu beenden.
»Warte«, sagt Megan. »Willst du mich anmachen?“
»Ich? Was?« Sie hat mich ertappt.
»Aber ja! Nicht zu glauben - ich werde von einem Toten angemacht.« Jane quakt, Megan gibt ihr eine Flasche Babybrei und zerrt einen kleinen Baumwollhasen aus dem Rucksack. »Hör mal, du Geist ...“
»Jared.«
»Wie auch immer. Das hier ist weder der richtige Zeitpunkt noch der richtige Ort. Ich fühle mich geschmeichelt, aber nein danke. Ich ziehe echtes Fleisch vor.“
»Schon kapiert.«
Megan schließt Janes Windel mit einem Druckknopf und sieht mich dann an. »Wie kommt es denn, daß wir hier gestrandet sind? Warum wir?«
»Es gibt einen Grund.“
»Und zwar? «
»O Gott, das kann ich dir jetzt noch nicht sagen.«
»Du hast ja die gleiche Tour drauf wie Karen. Blöder Troll.«
»Ach, werd erwachsen.«
» Du, ein Sechzehnjähriger, erzählt mir, ich soll erwachsen werden. Ha. Dann sag mir folgendes - ist hier unten außer uns noch jemand übrig? Karen sagt nein, aber ich bin mir da nicht so sicher.«
»Karen erhält nur wenige Informationen, aber das, was sie weiß, stimmt immer.«
»Ich hatte recht! Linus hat immer wieder versucht, so abwegige Orte wie Ölplattformen mitten im Indischen Ozean und Wissenschaftler am Südpol anzufunken. Jetzt schuldet er mir einen Eimer Krügerrandmünzen.“
»Einen Eimer Gold?«
»Soll eigentlich ein Witz ein. Es ist einfach idiotisch, wieviel Gold es gibt. Wir schmeißen es von Brücken. Wir streiten uns um Geld. Geld hat keine Funktion mehr.«
»Das schätze ich auch.«
»He, Jared, wie ist es im Himmel?«
»Im Himmel? Der Himmel ist wie die Welt in ihren schönsten Momenten. Er ist reine Natur - Gebäude gibt es nicht. Er ist aus Sternen, Wurzeln, Schlamm, Fleisch, Schlangen / und Vögeln erbaut. Aus Wolken, Steinen, Flüssen und Lava. Aber er ist kein Gebäude.
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