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Girlfriend in a Coma

Girlfriend in a Coma

Titel: Girlfriend in a Coma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Coupland
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gewisser Hinsicht kommt es einem vor, als wäre die Welt noch dieselbe. Am Anfang habe ich immer gedacht, wir würden uns alle so fühlen, als warteten wir auf den Tod. Statt dessen kommt es mir jetzt vor, als würden wir einfach nur warten - worauf, weiß ich nicht. Auf dich? Ich vermisse so vieles an der alten Welt - zum Beispiel, wie die Stadt immer von unten die Wolken anstrahlte und ihnen so ein klares Perlblau verlieh. Ich vermisse den Geruch von Sushi. Und die Elektrizität. Kühlschränke. Einkaufen. Neue Ideen. Ach ja - außerdem bin ich jetzt verheiratet, mit Wendy. Und ich hab' beim Fernsehen gearbeitet.“
    »Ja, das weiß ich alles.«
    »Manchmal kamen wir uns alle vor wie in so einem gruseligen Neil-Simon-Stück. Hamilton hat versucht, sich einen Titel und passende Songs dazu auszudenken. Seine beste Idee war Fünf Versager.«
    »Immer noch der alte Scherzbold, dieser Hamilton.“
    »Er ist eigentlich nicht ganz dicht.“
    »Völlig durchgeknallt.«
    »Ich könnte mich totlachen über ihn. Ich könnte mich wirklich totlachen über ihn.« Linus holt tief Luft und schaut wieder hinüber zum Vulkan. Er seufzt und sagt dann: »Jared, sag mir was: Ist die Zeit vorbei?“
    »Hä? Was soll das denn heißen?«
    »Ich habe sehr viel darüber nachgedacht. Wenn ich Zeit sage, meine ich Geschichte oder ... Ich glaube, es ist nur menschlich, Geschichte und Zeit durcheinanderzubringen.“
    »Auf jeden Fall.«
    »Nein, hör zu. Andere Lebewesen haben keine Zeit - sie sind einfach Bestandteil des Universums. Aber wir Menschen - wir haben Zeit und Geschichte. Was wäre, wenn es mit der Welt weitergegangen wäre? Versuch dir einen Nobelpreisgewinner des Jahres 3056 vorzustellen, oder Briefmarken mit Spachteln drauf, weil wir sonst nichts mehr haben, was wir auf Briefmarken drucken können. Stell dir die Miss Universum des Jahres 22788 vor. Das kannst du nicht. Dein Gehirn kann das nicht. Und jetzt gibt es keine Menschen mehr. Ohne Menschen ist das Universum einfach das Universum. Die Zeit spielt keine Rolle.“
    »Linus, du bist jahrelang durch die Lande gezogen und hast nach allen möglichen Antworten gesucht, nicht wahr?“
    »Ja. Vor allem in Las Vegas. Das war zwar ein Dreckloch, aber es gab mir Raum zum Denken. Und du hast meine Frage nicht beantwortet, Jared.«
    »Das werde ich noch. Bist du in Las Vegas zu irgendwelchen Erkenntnissen gelangt?«
    »Nein. Nicht wirklich. Ich dachte, ich würde Gott sehen oder eine Erleuchtung haben oder in der Luft schweben oder irgend so was. Aber nichts davon ist passiert. Ich habe so lange darum gebetet. Ich glaube, ich war vielleicht nicht demütig genug - ich glaube, das ist das Wort: demütig.
    Ich wollte stets einen Fuß in beiden Welten behalten. Und dieses letzte Jahr habe ich weiterhin auf solche großen kosmischen Momente gewartet, und immer noch ist nichts passiert - außer daß du hier bist, aber statt mich kosmisch zu fühlen, kommt es mir nur so vor, als würden wir den Sportunterricht schwänzen und hier heraufkommen, um eine zu rauchen. Es scheint irgendwie nur logisch, daß du aufgetaucht bist, ich wünschte, ich könnte mehr Ehrfurcht verspüren. Ich wünschte, du könntest immer hiersein. Wir sind so verdammt einsam.« Ein weiteres leichtes Rumpeln kitzelt den Boden, und wir sehen Lavaflüsse, die wie Karamel die Hänge des Mount Baker hinabfließen. Linus hat das Bedürfnis zu reden, also lasse ich ihn: »Jared, ich weiß, daß Gott jederzeit in jeder Form kommen kann. Ich weiß, daß wir immer darauf gefaßt sein müssen. Ich weiß, daß Tag und Nacht für Gott gleich sind. Und ich weiß, daß Gott sich nie ändert. Und trotzdem habe ich wenigstens einen Anhaltspunkt gesucht. Wann sterben wir, Jared?“
    »Holla! Linus - so einfach ist das nicht. Solche Dinge weiß ich nicht so genau.«
    »Niemand scheint je mit der Wahrheit rausrücken zu wollen.« Es entsteht eine seltsam unangenehme Pause, und ich versuche, die Tonart zu wechseln: »Schau dir den Mount Baker an«, sage ich. »Erinnerst du dich an das Skiwochenende dort, als wir das Getriebe von Gordon Streiths Cortina kaputtgemacht haben?«
    »Ich hab' den Schalthebelknauf als Souvenir behalten.« Die Lava brennt jetzt Schneisen in die Berggletscher, und der Qualm steigt so hoch auf wie ein Satellit. Linus ist ruhig geworden, und seine Stimme klingt sanft: »Ich schätze, so hat der Kontinent ausgesehen, als die Pioniere herkamen, was, Jared? Ein Land, das unberührt war von Zeit oder Geschichte. Sie müssen

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