Girlfriend in a Coma
denke. Die Welt hat keinen Sinn mehr. Sie löst sich auf, Chaos bricht aus, und alles ist vergiftet. Schau dir die Bäume um uns herum an. Braun. Vermutlich die Strahlung von einem kaputten Reaktor in Nordkorea. Oder China. Öder der Ukraine. Oder ... Nimm mich einfach mit, verdammt noch mal! Du bist ein Geist, Jared. Beweis es.“
»Ich kann dich nicht mitnehmen, Wen. Aber ich kann dir die Einsamkeit nehmen.“
»Nein - das will ich nicht. Ich will weg.“
»Wendy«, sage ich, »stell dir mal eine Welt ohne Einsamkeit vor. Da wäre doch jede Unannehmlichkeit zu ertragen, oder?«
Sie denkt darüber nach und ist schlau genug, es einzusehen. »Ja.« Sie schnieft. »Du hast recht. Dafür kriegst du das große Pfadfinderabzeichen. Aber warum müssen wir überhaupt einsam werden? Das ist doch furchtbar. Es ist so - warte -« Wendy gewinnt ihre Fassung allmählich zurück. Sie wischt sich die Tränen weg, und ihre Stimme wird ruhig. »Du nimmst mich nicht mit, oder?«
»Nein. Wenn ich's könnte, würde ich es tun, aber ich kann nicht. Das weißt du, Wendy.«
Sie setzt sich auf einen umgestürzten Baumstumpf, um wieder zu Atem zu kommen. Ihre Gedanken überschlagen sich dermaßen, daß ihr Gehirn fast aussetzt. Sie schluckt ein paarmal schwer, entspannt sich dann und schaut mich, einen sechzehnjährigen toten Jungen, über Farne und Moos hinweg an. Dabei öffnet sich ihr Regenmantel ein wenig, so daß man ihre Dessous darunter sieht. Sie kichert, zieht den Mantel ganz aus und enthüllt so ihren blassen, molligen Körper. »Ta-ta! He, Jared, darf ich dir mein neues Ich vorstellen? Bin ich in diesem Aufzug nicht liebenswert? Hm?“
» Du bist ein Teil der Welt, Wendy, ebenso wie Gänseblümchen, Gletscher, Erdbebenschäden und Stockenten. Du bist dazu bestimmt zu existieren. Du mußt mir glauben. Du bist liebenswert ...,und du bist scharf! Du siehst echt gut aus.«
»Könntest du mich lieben, Jared?«
»Auf welche Weise?«
»Egal, Hauptsache, ich bin nicht mehr einsam.«
Sie hat eine Gänsehaut, ihre Nippel sind aufgerichtet. »O Mann, und ob ich könnte -«
»Hier bin ich.«
Und so ziehe ich mein Gespenster-Football-Outfit aus Spikes, Knieschoner und Hemd-, doch meine Schulterpolster lasse ich an.
»Deine Schultern«, sagt sie.
Ich gehe auf sie zu: »Sei einfach still, Wen. Fühl mal, wie es ist, wenn ich durch dich hindurchgehe.«
» Schbb - still, Jared.«
»O Scheiße, Mann, ist das toll. Mann, das ist sogar noch besser als Karens Fußboden.« Wendy kichert, dann versagt ihr die Stimme. »Ach, Wendy - so was wird mir auch nicht mehr alle Tage geboten. Oh!«
Ich stehe dort in ihrem Körper, während ein Schwärm Krähen in den Baumwipfeln krächzt, und dann gleite ich durch sie hindurch, und es ist so, als erhielte ich Antworten auf Fragen, die ich vor langer Zeit gestellt habe - ich habe dieses Gefühl, für einen Moment die Wahrheit zu erkennen. Als ich mich umblicke, steht sie starr vor Lust da, die Augen verdreht und gen Himmel gerichtet. Ihre Sinne befinden sich noch in einer andere Sphäre.
Ich ziehe meine Football-Klamotten wieder an und schwebe vor sie hin, um ein paar Minuten auf sie aufzupassen, während ihr Geist und ihr Körper wieder ins Hier und Jetzt zurückkehren. Sie sieht mich an und fragt: »Noch besser wird's nicht, was?«
»Nein.«
»Davon habe ich seit 1978 geträumt.“
»Mit Erfolg. Du warst toll.«
»Du verläßt mich jetzt, oder?«
»Ich verlasse, dich nicht, aber ich muß wirklich weg. Und außerdem -.«
»Schhh. Laß mich raten - ich bin schwanger, nicht wahr?«
»Ja. Woher weißt du das?«
»Das ist eine besondere Begabung von mir. Ich weiß immer, wann eine Frau schwanger ist.« Sie hält verträumt inne. »Danke, Jared.«
Ich schwebe nach oben, hinauf in den Baldachin aus Bäumen und in den Himmel. »Auf Wiedersehen, Wendy.«
Megan hat sich Jane wie ein Indianderbaby auf den Rücken gebunden, während sie langsam auf dem Motorrad durch den geisterhaften Vorort fährt, ständig auf der Hut vor umgestürzten Bäumen, aggressiven Hunden und plötzlichen Unwettern.
Ich lese Megans Gedanken und bin fasziniert von den Dingen, die ich dort finde. Als die Welt unterging, war Megan ein Teenager und hatte die unfertigste Persönlichkeit der Gruppe. Gleichzeitig ist sie diejenige, der das alles am wenigsten auszumachen scheint. Am Stevens Drive überrollt sie mit lautem Knirschen ein Skelett, als wäre es bloß ein abgebrochener Ast; dann zündet sie sich eine
Weitere Kostenlose Bücher