Girlfriend in a Coma
Zigarette an, wirft das brennende Streichholz in das nächste Haus und wartet nicht mal, um zuzusehen, wie es in Flammen aufgeht. Es ist ein sonniger Tag, und die Luft ist klar - ein Tag, an dem die Welt mal ausnahmsweise nicht nach brennenden Reifen riecht, dem stinkenden Qualm, der von China aus ständig über den Pazifik getragen wird.
Auf der Fahrt den Stevens Drive hinunter zur Rabbit Lane durchzuckt Megan plötzlich ein Gefühl der Einsamkeit, das so real und heftig ist, daß ich es nur mit einem Tornado oder einem Blitz vergleichen kann. Ihr kommt zu Bewußtsein, daß sie im gesamten letzten Jahr nicht einmal das Haus von Jenny Tyrell aufgesucht hat. Sie hat keine Ahnung, was sie dort finden wird, aber sie weiß, daß sie dort hinmuß. Megans Haare sind jetzt lang und fällen, als sie in die Auffahrt von Jenny Tyrells Haus einbiegt, zu beiden Seiten an ihrem Kopf herab, daß es aussieht wie ein Vogel, der seine Schwingen senkt. Der Rasen davor hat sich wie jeder andere Rasen in eine struppige Wiese verwandelt; die Weihnachtsdekoration ist, nachdem sie ein Jahr sich selbst überlassen war, verblichen; die Schindeln haben auszufallen begonnen; die Autos in der Auffahrt sind mit Staub überzogen, und die Reifen sind platt - ein ziemlich sicheres Anzeichen dafür, daß sich im Hause Matscher befinden, und so ist es: Mr. und Mrs. Tyrell liegen mumifiziert und friedlich auf dem Wohnzimmerfußboden, umgeben von Fotoalben mit Familienbildern, Mrs. Tyrells Hochzeitskleid, einer Weinflasche und zwei Gläsern. Keine Gerüche.
»Yo! Mr. und Mrs. Tyrell -« Megan wirft den Eltern einen liebevollen Blick zu. »Ich wollte mir nur mal Jennys Sachen ansehen. Sie ist drüben in Lynn Valley vorm Einkaufszentrum. Darf ich mal eben nach oben gehen? Danke. Oh, guck mal, Janie - Jennys Zimmer ist wie immer der reinste Schweinestall.«
Megan schnallt sich die glotzende Jane vom Rücken und legt sie auf Jennys Bett. Das Zimmer hat sich nicht sehr verändert; die Tür war geschlossen, daher ist es kaum verstaubt. Schminksachen und Klamotten liegen überall verstreut. Ein Foto von Megan, Jenny und der alten Clique aus der Hockey-Mannschaft, Skistiefel, diverse Alanis-Morrisette-Poster an der Wand und auf dem Schreibtisch ein Tagebuch Megan hatte keine Ahnung, daß Jenny Tagebuch geführt hat. »Rutsch mal rüber, Jane - wir bleiben noch ein bißchen hier.« Ihre Augen werden feucht, ihr Herz explodiert.
28. September 1997
Wofür hält sich Megan eigentlich? Bloß weil sie was mit einem Typen hat, der älter ist als sie, glaubt sie wohl, sie ist die allergrößte. Sein Name ist Skitter, und er ist keineswegs ein besonders toller Fang oder so. was: Er hat schöne Beine und Muskeln, aber er ist total ordinär, und er zieht sich an wie ein Metal-Fan, wie ein Junkie. Den würde ich nicht mit der Kneifzange anfassen.
Haben heute beim Hockey gewonnen. 5 zu 3 gegen Hillside, und ich habe ein Tor geschossen. Yippie!
»Jenny, du dumme Kuh. Du warst von der ersten Sekunde an eifersüchtig, und das weißt du auch. Du hast versucht, bei allem, was ich und Skitter gemacht haben, mitzumischen. Skitter hat dich immer »die Klette« genannt. Mir hast du leid getan.«
13. Oktober 1997
Skitter hat mit Megan Schluß gemacht, aber sie versucht es so darzustellen, als hätte sie ihn verlassen. Wer's glaubt ... Im Moment ist sie irgendwie nicht ganz bei Trost, also kein Wunder, daß er sie abserviert hat. Ich glaube, das liegt an dieser Versagerschule, auf die sie geht - die Schule für Versager unten in North Van. Ich werde mir was einfallen lassen, wie ich Skitter anrufen kann, ohne daß er denkt, ich sei hinter ihm her. Vielleicht frage ich ihn, wo ich Hasch kriegen kann. Seine Nummer habe ich ja noch.
»Das ist jetzt aber wirklich zuviel. Viel zu viel. Ich habe ihn verlassen. Weil er ein betrügerischer, geiziger Mistkerl ist. Am Ende habe ich ihm alles gekauft, was er haben wollte, und dann festgestellt, daß er Frauen nur benutzt - sogar Zigarettengeld läßt er sich von einer Schülerin geben.« Megan ertappt sich dabei, daß sie Jenny furchtbar vermißt.
2. November 1997
Wow! Megans Mutter ist aus dem Koma erwacht. Wowü! Sie hat im Koma gelegen, seit ich Megan kenne, das heißt mein ganzes Leben, was eine ziemlich lange Zeit ist. Es war überall in der Zeitung und im Fernsehen und so, aber Megans Eltern lassen sie von niemandem fotografieren. Lieber zeigen sie immer dieses gruselige High-School-Foto, das Megans Vater
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