Girlfriend in a Coma
Viertel sieht total scheiße aus (entschuldige meine Ausdrucksweise!!). Ich schreibe diesen Brief, weil ich Angst habe. Es ist albern. Ich bin bescheuert. Am liebsten würde ich tausend Jahre schlafen - dann müßte ich nicht dabeisein, wenn diese merkwürdige neue Zukunft kommt.
Sag Mom und Dad, ich werde sie vermissen. Und sag der Clique für mich auf Wiedersehen. Und dann noch, Richard, könnte ich Dich um einen Gefallen bitten? Könntest Du auf mich warten? Ich komme wieder, wo auch immer ich jetzt hingehe. Ich weiß nicht, wann, aber ich komme wieder. Ich glaube nicht, daß mein Herz rein ist, aber schwarz ist es auch nicht. Ich weiß nicht mal mehr, wann ich das letztemal gelogen habe. Jetzt gehe ich mit Wendy und Pammie in Park Royal Weihnachtseinkäufe machen. Heute abend gehe ich mit Dir Ski laufen. Wenn Du mir dies hier morgen UNGEÖFFNET zurückgibst, werde ich es zerreißen. Gott schaut zu.
xox Karen
Der unumstößliche Beweis bestätigt ihre Befürchtungen. »Das hab' ich geschrieben. Ja. Oder nicht?“
»Ja, schon ...«
»Und was ich darin schreibe, ist wahr. Es existiert. Ja.« Ihre Stimme klingt trotzig.
»Das bezweifle ich auch nicht, Karen, beileibe nicht.«. Ein Schweigen tritt ein. Karen fummelt an einem Tetris-Spiel herum, das Megan ihr gegeben hat, damit sie ihre Geschicklichkeit steigern kann. Richard sieht sie an, doch sie hält den Blick abgewandt. Erfragt leise: »Was ist es wer sind sie die ... wer auch immer?«
»Ich sag's lieber nicht, wenn's dir recht ist. Meine Knöchel tun weh.«
»Du weißt , wer sie sind?«
Sie blickt auf: »Ja und nein. Ich habe versucht," wegzulaufen, und sie haben mich geschnappt. Sie werden mich nicht noch einmal entkommen lassen.«
»Was meinst du mit ›entkommen‹? Und wer sind sie?« Karen wünschte, sie könnte offener sprechen. In diesem Moment stürmt Megan ins Zimmer und stößt sich dabei an einem Stuhl.
»Autsch. Hi, Leute. Bist du bereit für deine Stretch-Übungen, Mom?«
Karen ist nur allzu froh, daß ihr Gespräch mit Richard zu Ende ist. »Klar. Nur zu.« Richards Magen flattert, es kommt ihm vor, als .würde er in den Krieg geschickt.
Mom. Lois.
Eulen - nichts hat sich verändert. Oder vielleicht doch. Lois wirkt etwas verhärtet, vermutlich als Folge von Megans Kapricen. Sie ist nicht mehr ganz so eitel wie früher. Die Outfits sind zwar vorhanden, aber mit dem ständigen Herausputzen ist es vorbei. George - Dad - kommt früh aus der Werkstatt nach Hause und setzt sich mit feuchten Augen neben Karens Bett.
Karen mag die Menschen von 1997, weil sie nie langweilig sind - all diese neuen Wörter, die sie benutzen, all der Klatsch, all die aktuellen und vergangenen Ereignisse, die sie aufzuholen hat.
»Wie war das?« fragen George und alle anderen immer wieder. »Wie war es, aufzuwachen?«
Wie? Wie nichts. Ehrlich. Als sei sie aufgewacht, und es war siebzehn Jahre später - und ihr Körper war weg. Ihre Antworten fallen stets belanglos aus, weil sie den anderen keinen Einblick in die finsteren Gedanken gewähren will, die sich wieder in ihre Erinnerung einschleichen. Ihr Kurzzeitgedächtnis ist in Ordnung. Leute von der UBC haben ein paar psychologische Tests mit ihr angestellt. Ihr Gedächtnis ist so gut wie an dem Tag, als sie das Bewußtsein verlor. Sie weiß sogar noch die Seitenzahl ihrer letzten Algebraarbeit. Aber die Dunkelheit? Die läßt sich Zeit. Sie weiß, daß die Leute mehr von ihr erwarten. Eine gewisse Noblesse ist gefragt - extreme Weisheit durch extremes Leiden. Die Leute behandeln sie wie ein rohes Ei. »Ich bin doch nicht aus Porzellan. Hergottnochmal — kommt ein bißchen dichter ran, okay? Ich verspreche euch, daß ich nicht in die Brüche gehe.«
Eines Nachmittags trinkt Wendy mit Pam am Lonsdale Quay Kaffee. Wendy hat sich vorgenommen, herauszubekommen, was Pam in dem Stereotraum gesehen hat. »Pam, weißt du noch, wie du Halloween diese Überdosis genommen hast? Ich habe mich immer gefragt, was du dabei gesehen hast. Dein EEG sah aus wie ein Weizenfeld im Wind. Erinnerst du dich?«
»Oh ja. Das war irre. Ich glaube, ich habe seitdem nicht viel daran gedacht.« Sie schüttet noch mehr Zucker in ihre Tasse. »Es war wie die Raubkopie eines Videos von Naturkatastrophen, und es hatte sogar einen Titelsong. Weißt du noch, als wir damals im Chor sangen? Oranges and lemons, say the hells of Saint Clement...“
» Weiter.«
»Da war so eine leere Autobahn. In Texas. Ich erinnere mich ganz
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