Girlfriend in a Coma
wir hier sind?«
»Richard -« Obwohl ihr das Wasser die Kapuze hinabrinnt, sieht sie ihm ruhig in die Augen. »Es war nie so gedacht, daß die Welt wie in einem Hollywoodfilm endet - du weißt schon: eine Reihe von Explosionen, Stars, die mitten in den Flammen Sex haben, Zähne, Blut und Rubine. Das ist alles Quatsch.«
»Was willst du damit sagen?«
»Ich will sagen: Schh!« Karen flüstert, während sie im Regen stehen, naß bis auf die Haut, auf dem Pflaster am Fuße der Rabbit Lane, kurz bevor es in den Wald hineingeht. »Hört zu: In Florida lebt eine alte Frau. Sie sitzt in ihrer Küche, und sie hört ihr Mobile klirren. Auf den Küchenstühlen stehen Tüten voller Lebensmittel, die sie gestern gekauft, aber nicht mehr in die Schränke gestellt hat. Draußen ist es kühl, und sie hat ein Nachthemd an. Sie geht zur Küchentür hinaus und hinunter zu einem Steg in der Nähe, wo ein warmer Wind ihr über den Kopf und durch den Stoff bläst, den sie trägt. Sie setzt sich hin und betrachtet den Himmel mit seinen Sternen und Satelliten und denkt an ihre Familie und ihre Enkelkinder. Sie lächelt, und sie summt ein Lied, eines, das ihre Enkelkinder in jener Woche wieder und wieder gespielt haben. ›Bobo and the Jets‹? Nein - ›Benny and the Jets‹. Plötzlich wird sie müde. Sie legt sich auf die Holzplanken, schließt die Augen und schläft ein. Und das war's. Sie ist die letzte. Die Welt gibt es nicht mehr. Unsere Zeit beginnt.«
TEIL 3
27
Spaß ist dumm
Jared hier, ein Jahr später ...
... sperrt eure Töchter weg. Und eure Schundmagazine. Und euer Sofa, verdammt noch mal, denn man weiß ja nie, vielleicht komme ich auf die Idee und bumse es wie eine Dänische Dogge. Har har. Wenn man meinen Freunden so zuhört, könnte man meinen, ich sei der perverseste Typ der Welt. Na gut. Und jetzt schaut euch bitte die mal an - ein Jahr danach: Was sind das bloß für Waschlappen, hocken um Karens Kamin und schauen sich ein Video nach dem andern an. Der Fußboden ist übersät von Kleenex-Schachteln und Margarinebechern, aus denen Diamanten und Smaragde, Ringe und Goldbarren quellen - eine Parodie auf den Reichtum.
Und was machen sie zwischen den Videos? Sie streiten sich um Geld, bewerfen sich gegenseitig mit Krügerrands, Rubinen und Tausenddollarscheinen; dann wieder basteln sie Papierflieger aus Drucken von Andy Warhol und Roy Lichtenstein und lassen sie in den Kamin segeln. In einer besonders langen Pause zwischen zwei Videos schleiche ich, Jared, mich seitlich ans Haus heran und drehe den Honda-Gasgenerator ab, den Linus dort aufgestellt hat. Der Strom fällt aus, was bei der Clique heftiges Murren auslöst. Diesen Moment wähle ich, um vor dem Fenster zu er-
scheinen - auf der anderen Seite des, Rasens -, eine Kugel weißen Lichts. Wendy ist die erste, die mich sieht, und sie ruft meinen Namen. »Jared?«
»Was ist das, Wendy?« fragt Megan. »Das ist Jared. Schaut mal. Er ist wieder da.« Alle starren mich gebannt an, während ich in meinem alten braunweißen Football-Trikot über den Rasen tänzle. In der Stille leuchte ich wie ein Tiefseelebewesen, wie ein bleicher Mond. Ich schwebe einen guten Meter über dem Boden und sause dann durch die einzige heile Scheibe der Terrassenglastür, als wollte ich einen Fehlpaß fangen. Ich schreite durch den Raum wie auf einem Transportband am Flughafen und gehe durch die andere Wand wieder hinaus. Hamilton läuft nach draußen zum Carport, aber dort bin ich nicht. Wendy zündet Kerzen an, und kurz darauf dringe ich durch die Decke in den Raum und mache mit den Füßen über dem Kamin halt, wo ich mich vorstelle:
»Hey, Leute. Ich bin's - Jared. Verdammte Scheiße, Mann - ich freu' mich so, euch zu sehen.«
»Jared?« sagt Karen.
»Hi, Karen. Hallo, ihr alle.«
»Jared, was bist du? Wo bist du? Geht's dir gut?« fragt Richard.
»Ich bin ein Geist, und ich bin eigentlich total happy, Richard. Ich bin high vom Leben. Wie im Hotel California. Jawoll.«
»Was tust du hier?« fragt Megan, die mich von meinem alten High-School-Jahrbuchfoto erkennt.
»Ich bin hier, um euch aus der Klemme zu helfen«, sage ich, während ich beginne, mich durch den Boden hindurch aufzulösen.
»Warte!« schreit Wendy. »Geh nicht!«
Ich bin schon halb weg: »Mann, fühlt sich dieser Boden gut an.«
»Du kannst den Boden fühlen?« fragt Linus. »Wie ist es im Himmel?« fragt Richard. »Was passiert, wenn man stirbt?« fragt Pam. »Zeig uns ein Wunder, Großmaul«, sagt
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