Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Girlfriend in a Coma

Girlfriend in a Coma

Titel: Girlfriend in a Coma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Coupland
Vom Netzwerk:
Jugend genommen? Geh weg. Ich weiß, daß du hier bist. Das sollte wohl reichen.
    Sie weinte. Ihr Gesicht war naß, ihre Hände rot. Sie fühlten sich an, als schälten sich die Sehnen wie Fäden von ihren Knochen. Mit einem letzten Ruck knallte die Tür zu, und sie plumpste erschöpft auf das Linoleum mit dem alten Gänseblümchenmuster. Na also. Und dann erscholl draußen ein Knall, als sei ein Football-Spieler gefoult worden, rums, die Scheibe der Schiebetür zersprang zu einem spitzenzarten Spinnennetz, eine Million winziger Scherben im Bruchteil einer Sekunde - doch nur ein paar davon fielen klirrend mitten heraus, so daß der Wind durch das kleine Loch pfeifen konnte. Karen schrie auf und wurde dann still, legte sich auf den Rücken, starrte an die Decke und machte sich auf das Schlimmste gefaßt. Sie griff sich ein kühles, weiches Kissen, das vom Sofa gefallen war, und hielt es sich vors Gesicht, um ihre Augen zu beruhigen. Der Fernseher nahm .im Hintergrund sein Geplärre wieder auf; Karen fand die Fernbedienung und begann mitzuschneiden.
    Sie denkt: Ich hatte so wenig Zeit, die Welt zu genießen, und jetzt wird sie bald nicht mehr dasein. Ich will nicht in dieser zukünftigen Welt leben. Ich sehne mich danach, meinen Körper zu verlassen. Ich sehne, mich danach, mich schnell und sauber aus diesem Leben zu verabschieden, als fiele ich in einen Minenschacht. Ich möchte einen Berg besteigen egal welchen -, die Welt hinter mir lassen und mich, wenn ich den Gipfel erreiche, in ein Stück der Sonne verwandeln. Mein Körper ist so kraftlos und dürr. Ich vermisse es, Dinge in der Hand zu halten. Ich vermisse es, mit den Zehen zu wackeln, und ich vermisse meine Periode. Ich habe Megan als Baby nie auf dem Arm gehabt.
    Sie denkt: Früher bin ich Ski gelaufen. Der Himmel war damals so kalt, daß es weh tat, aber mir war warm, und ich bin den Schnee hinuntergesaust wie eine Tänzerin. Ich bin gesprungen und herumgewirbelt. Und ich habe mich bis jetzt nie beklagt - nicht ein einziges Mal. Aber ich wollte die Welt ein bißchen mehr genießen - nur ein kleines bißchen mehr. Über sich hört sie einen Hubschrauber und aus der Innenstadt lautes Donnern. Es geht schnell, was? Sie schließt die Augen, und sie sieht Dinge - Bilder von Blut und Erde, vermengt wie das Herz einer Schwarzwälder Kirschtorte; stumme Bürotürme, die Grand Canyons bilden. Häuser, Särge, Babys, Autos, Besen und Kronkorken alles wird brennend ins Meer gespült und löst sich auf wie Bonbons. Dafür gibt es einen Grund, das weiß sie genau. Sie sieht einen Supermarkt in Texas, und ein Schwarzweiß-Überwachungsmonitor zeigt zwei Kinder, die von Slush-Drinks besudelt auf dem Boden liegen. Sie sieht eine Nervengasexplosion in Tooele, Utah, einen gelben Geist, der aufsteigt, um auf dem gesamten Kontinent zu spuken. Sie sieht Büroparzellen - ein Büro in Sao Paulo, Brasilien, gelbe Klebezettel fallen auf den Teppichboden wie Blätter von einem Baum.
    Dies ist der Moment, den sie erwartet und gefürchtet hat. Jetzt ist es soweit.

26
Der Fortschritt ist vorbei
    Am nächsten Tag fahren Richard und Megan auf dem schlammigen Berg umher, zwischen zehntausend Eigenheimen hindurch, manche davon verbrannt oder noch brennend, an verlorenen Seelen vorbei, die durch die Landschaft torkeln und mit verhärmten Gesichtern und entgleisten Zügen Pistolen auf den Horizont abfeuern. Wenig andere Autos sind unterwegs. Die Türen vieler Häuser stehen weit offen, und die Tiere der Stadt - die Hunde, Waschbären und Stinktiere - haben sich schleunigst dort breitgemacht. Ein Wagen ist mitten auf einem Rasen geparkt; zwei tote Hunde ruhen am Ende einer Einfahrt. Alle Leute, die wir je gekannt haben, denken Richard und Megan, das bestaussehende Mädchen der High-School; Lieblingsfilmstars; alte Freunde; Leuchtturmwächter und Labortechniker. Alle weg.
    An der Bellevue Avenue stellen sie fest, daß die Eigentumswohnung von Richards Eltern die Verwandlung der Welt völlig unbeeinträchtigt überstanden hat. Drinnen ticken die Uhren noch; zwei Kaffeebecher stehen unabgewaschen auf dem Abtropfhalter; auf einem Kalender ist zu lesen:
     
    14:30 Krone befestigen lassen
    Olivenöl
    Hühnerbrühe
    Spargel
    mit den Sinclairs nach Bellingham
     
    Draußen vor den Fenstern können sie das Meer hören. Oben im Schlafzimmer hängt unverkennbar der Geruch von Richards Eltern in der Luft. Ihr Bett verströmt die Aura eines Gedenksteins. Eltern.
    Sie waren Motor und Ruder des Lebens in

Weitere Kostenlose Bücher