Girlfriend in a Coma
muß lächeln. Sie sind völlig ausgehungert, schnell schlitzt sie einen Sack auf, öffnet die Tür und zerrt ihn in die Garage. Während die Strauße ihre Mahlzeit herunterschlingen, füllt sie einen Wassereimer im Goldfischteich hinter dem Haus. Als sie zurückkommt, picken die beiden Strauße ungeduldig nach Megans Händen. Sie ist ganz verzaubert von diesen hektischen, komischen Tieren, und sie setzt sich auf die Schwelle der Garage, um ihnen in Ruhe zuzusehen. Die Garage ist wie eine Gruft, denkt sie. Diese armen Kreaturen haben jetzt seit Tagen kein Licht gesehen. Sie geht zur Garagentür und überlegt, ob sie sie nicht einen kleinen Spalt öffnen kann, damit unten Licht und Luft eindringen können. Zong! Die Strauße rennen durch die Holländische Tür ins Haus hinein, wo sie Stühle und Tische umstoßen, im Wohnzimmer herumquaken und -zischen und dann zur Haustür hinauslaufen, die Megan zu schließen vergessen hat. O Mist, denkt sie, noch so ein Rodeo.
Sie stürmt auf den Rasen hinaus, wo die beiden Vögel fröhlich herumhüpfen und ihre albernen kleinen Flügel aufplustern. Die Strauße verschwinden genauso zielstrebig im Wald, wie sie mit Gewichten an ihren knotigen Beinen in einen Fluß gefallen wären.
In jener Nacht verströmt das gleichmäßige Summen von Linus' Gasgenerator mit seinen präzisen Rhythmen ein trügerisches Gefühl der Stabilität.
Karen setzt sich die Papiertüte auf den Kopf und nimmt die Schilderung ihrer Visionen von Ereignissen auf der ganzen Welt wieder auf: »Vor einem Mövenpick-Restaurant in Zürich sitzen Skelette auf Plastikstühlen.«
»Skelette? Schon?«
»Nein. Das ist in der Zukunft. Oh - ich sehe einen Apple-Computer, der zerschmettert auf dem Boden einer Zweigstelle der Sum Sumi Sumitomo-Bank in Yokohama liegt. Die Visionen kommen, wie sie wollen. Ich sehe ... Purpurwinden, die in Ecuador aus einem Abwassergraben wachsen und sich um einen menschlichen Oberschenkelknochen schlingen. Ich sehe ... fünf knallbunt angezogene Skiläufer, die auf den Pisten von Chamonix schlafend auf ihren Skiern festgefroren sind; einen entgleisten Bahnwaggon in Missouri, aus dem Millionen von Rubbellosen in einen über die Ufer tretenden Bach gefallen sind. In Wien betreten zwei Mädchen im Teenageralter eine Bäckerei und füllen ihre Taschen mit .Schokolade. Und jetzt..., jetzt ...,na also. Sie sind gerade eingeschlafen.«
»Kannst du dich nicht auf das konzentrieren, was uns selbst betrifft, Kare?« fragt Wendy. »Was ist mit meinem Dad?“
»Gib mir deine Hand.« Wendy ergreift Karens Hand. Karen sagt: »Er schläft. Auf seinem Bett. Er hat gar nicht mitbekommen, was passiert ist. Er hat ein Nickerchen gemacht und ist entschlafen, während er schlief. Kann das angehen?«
»Ja.«
Auch die anderen wollen über ihre Familien Bescheid wissen und drängeln sich um Karen. Hamiltons Vater ist am Strand eingeschlafen und wurde von der Flut davongetragen. Seine Mutter in Toronto ist in einer Einkaufspassage in der Innenstadt eingeschlafen. Richards Eltern sind bei dem Versuch, die Grenze zu überqueren, in einer Autoschlange eingeschlafen. Pams Eltern sind aus dem Auto gestiegen und zu Fuß hinübergegangen, haben es aber nur etwa eine Meile nach Kanada hineingeschafft, bevor sie einschliefen. Linus' Eltern sind bei einem Autounfall auf dem Highway in der Nähe von Langley ums Leben gekommen. Nach einem Schweigen fragt Richard: »Was ist mit Lois und George?«
»Sie schlafen. Mom in Park Royal und Dad in seiner Werkstatt.«
»Oh.«
Der Generator ächzt und stottert, setzt aus und dann wieder ein. Das Licht flackert. Sie fühlen sich angeschlagen, und das jugendliche Gefühl der Unendlichkeit, das sie bis zu diesem Punkt ihres Lebens gebracht hat, ist fort. »Richard, bitte nimm mir die Papiertüten vom Kopf. Ich möchte, daß wir alle einen Spaziergang machen.“
»Aber der Regen -«
»Na und? Hol ein paar Taschenlampen und Regenzeug.« Minuten später laufen die sieben die Straße entlang, wo ein Regen von verblüffender Heftigkeit den Himmel in ein Meer verwandelt. »Seht mal«, sagt Pam, »jeder Tropfen ist wie ein Glas Wasser.« Niemand kann sich erinnern, wann es schon einmal so stark geregnet hat. Wasser drischt ihnen auf den Kopf; Wasser macht sie taub. Sie marschieren die Straße entlang, ohne Licht, Karen in ihrem Rollstuhl, durchnäßt und traurig, die Straße entlang, bis sie unten angekommen sind. Richard sagt: »Karen, kannst du uns sagen, was hier vorgeht - warum
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