Girlfriend in a Coma
Du wolltest doch selber ›tausend Jahre‹ schlafen, damit dir die Zukunft erspart bleibt. Du hast dir das ausgesucht, nicht ich oder sonst jemand. Es hätte schlimmer kommen können. Ich meine, du hättest ganz und gar sterben können. Du hättest hirntot sein können.«
»Und warum bin ich dann jetzt wach, anstatt noch weitere neunhundertdreiundachtzig Jahre zu schlafen?«
»Du bist aus dem Koma erwacht, weil es dich in die Lage versetzte, die Gegenwart durch die Augen der Vergangenheit zu sehen. Außer dir gab es niemanden, der hätte erkennen können, wie sehr sich die Welt von euren damaligen Erwartungen unterscheidet. Deine Aussage wurde gebraucht. Dein Zeugnis.«
»Jared, nichts läuft jemals so wie geplant. Du brauchst mich doch bloß anzusehen.« Karen mustert ihre Beine und zieht eine Grimasse. »O Gott. Ist das bizarr. So hab' ich mir das Leben nicht vorgestellt. He, Moment mal - Jared - wieso bist du hier und nicht sonst jemand? Ich möchte meine Eltern sehen.«
»Daraus wird nichts, Karen. Ich bin dein offizieller Toter. Ich bin der einzige Mensch aus eurem Bekanntenkreis, der gestorben ist, als ihr noch jung wart. Aus diesem Grund fungiere ich für euch als der... ähmm... der Toteste.“
»Der Toteste. Was für ein Schwachsinn.“
»Karen, vergiß das mal eine Sekunde. Sag mir ich muß dich das fragen: Was ist dir als das Wesentlichste aufgefallen der größte Unterschied zwischen der Welt, die du verlassen hast, und der Welt, in der du aufgewacht bist?« Karen atmet tief aus, als lösten sich ihre Spannungen wie durch eine Massage. Sie schaut in das dunkle Innere des Supermarktes und sagt: »Ein Mangel.“
»Ein Mangel?«
»Ja. Ein Mangel an Überzeugungen - am Glauben, an Weisheit, oder gar an guter alter Schlechtigkeit. Es gibt keine Trauer; kein gar nichts. Die Menschen - die Menschen, die ich kannte als ich zurückkam, also, da existierten sie nur noch. Das war sehr traurig. Ich konnte mich nicht dazu durchringen, es ihnen zu sagen.«
»Was ist denn so falsch daran - bloß zu existieren, meine ich?«
»Ich weiß nicht genau, Jared. Tiere und Pflanzen existieren, und wir beneiden sie darum. - Aber bei Menschen sieht das einfach nicht gut aus. Es hat mir nicht gefallen, als ich aus dem Koma erwacht bin, und es gefällt mir immer noch nicht - obgleich nur so wenige von uns übriggeblieben sind.“
»Und?«
»Gott, Jared - du kennst wirklich kein Erbarmen. Ich weiß.
Ich sag' dir was - du sagst mir, mit wem du geschlafen hast, und ich beantworte dir weitere Fragen.«
»Ich weiß nicht, Karen ...«
»Stacey Klaasen?«
»Also gut - ja.«
»Jennifer Banks?«
»Ja.«
»Jennifer Banks' kleine Schwester?“
»Schuldig.«
»Ich wußte, daß ihr's miteinander getrieben habt.“
»Kaum zu glauben, Sherlock.“
»Annabel Freed?“
»Ja.«
»Dee-Ann Walsh.“
»Ja«.
»Gott, Jared - wir hätten dich mit kaltem Wasser abspritzen sollen wie einen rolligen Nerz. Mit wem warst du eigentlich nicht im Bett?“
»Pam.«
»Hätt' ich mir denken können.«
»Wendy.«
»Ich wußte es.«
»Ich war nach dem Football-Spiel mit ihr verabredet. Schicksal. Und jetzt mußt du mir noch ein paar Fragen beantworten.“
»Na gut.«
»Du wolltest gerade erzählen, was an den Leuten anders war, als du aufgewacht bist. Komm schon, raus damit.“
»Okay, okay. Moment mal. Laß mir etwas Zeit.« Sie kratzt sich am Kinn, während im Save-On ein wildes Tier kreischt.
»Ich weiß - ich weiß noch, wie die Leute, nachdem ich aufgewacht war, die ganze Zeit versuchten, mich damit zu beeindrucken, wie effizient die Welt geworden war. Ist doch abartig, mit so etwas anzugeben, oder? Effizienz. Ich meine, was hat es für einen Sinn, effizient zu sein, wenn man nur ein effizient ödes Leben führt?«
Ich lasse nicht locker. »Zum Beispiel?« Karen wickelt sich in eine Decke ein und spricht dabei weiter. »1979 habe ich noch geglaubt, in der Zukunft würde die Welt sich - weiterentwickeln. Ich habe geglaubt, wir würden die Welt sauberer, sicherer und intelligenter machen, und die Menschen würden als Folge all der Veränderungen lebenstüchtiger, klüger und freundlicher werden.“
»Und ...?«
»Die Menschen haben sich nicht weiterentwickelt. Ich meine, die Welt ist schneller, intelligenter und in mancher Hinsicht sauberer geworden. Autos zum Beispiel - die Autos stinken nicht mehr. Aber die Menschen sind gleich geblieben. Sie sind sogar - warte -, was ist das Gegenteil von Fortschritte
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