GK0001 - Die Nacht des Hexers
den unheimlichen Vorgängen hier in Middlesbury erzählt haben.«
Im gleichen Augenblick öffnete sich die Tür zu der kleinen Polizeistation, und Ann Baxter stürmte in den Raum.
»Konstabler, ich…«
Sie stutzte, als sie John auf dem Stuhl sitzen sah.
»Was hat das zu bedeuten?« fragte sie verwundert. »Wegen dieses Mannes wollte ich mit Ihnen sprechen, Konstabler.«
Jones wollte gerade zu einer Antwort ansetzen, als John ihm einen warnenden Blick zuwarf.
»Wollten Sie sich über mich beschweren, Miß Baxter?« lächelte er.
Ann Baxter wurde verlegen. »Das nicht gerade, aber Ihr – Ihr…«
Sie stotterte plötzlich.
John Sinclair lachte. »Keine Angst, Miß Baxter. Ich bin wirklich ein harmloser Zeitgenosse. Ich habe mich nur bei Konstabler Jones über die Schlösser und Burgen in der näheren Umgebung erkundigt. Sie wissen ja, ich handle mit diesen Sachen.«
Seinen wahren Beruf verschwieg John absichtlich. Jetzt wußte auch Konstabler Jones, als was er sich hier ausgab.
»Außerdem reise ich morgen wieder ab, Miß Baxter. Ich werde Ihnen demnach nicht länger zur Last fallen.«
Ann wurde rot. »So habe ich es nicht gemeint, Mr. Sinclair.«
»Ich auch nicht«, lächelte John. Dann wandte er sich noch mal an den Konstabler. »Vielen Dank für Ihren Rat, Sir. Ich werde dann in Richtung Aberdeen weiterfahren.« Bei den letzten Worten kniff er Jones ein Auge zu.
John verabschiedete sich auch von Ann Baxter.
Als er vor der Tür stand, klopfte er sich eine Zigarette aus der Packung. Im Schutz der Türnische zündete er das Stäbchen an. So hörte er ungewollt Ann Baxters Worte.
»Ich werde Manor Castle einen Besuch abstatten. Und daran können auch Sie mich nicht hindern, Konstabler.«
***
Die Schatten der Dämmerung lagen schon über dem Land, als sich Ann Baxter dem Schloß näherte.
Sie ging zu Fuß. Den Wagen hatte sie unten im Dorf stehenlassen. Ihre Ankunft sollte vorerst niemand bemerken.
Der Weg zum Schloß war steil. Ann schwitzte, trotz des kalten Windes, der hier in Küstennähe immer blies.
Mit der Dunkelheit erreichte sie Manor Castle.
Das verrostete Eisentor stand offen. Quietschend schwang es im Wind.
Ann Baxter schlüpfte in den Innenhof des Schlosses.
Sie lauschte.
Irgendwo schrie klagend eine Eule. Dann flog ein Rabe krächzend über ihren Kopf.
Unkraut und knorrige Sträucher wucherten im Innenhof. Rauschend fuhr der Wind durch die Zweige.
Anns Augen hatten sich gut an die Dunkelheit gewöhnt. Noch einmal durchforschte sie den großen Hof.
Dann lief sie schnell zu dem Schloß hinüber. Eng preßte sie sich gegen die rissige Wand.
Sie wollte versuchen, durch einen Nebeneingang in das Schloß zu gelangen.
Dicht an der Mauer schlich Ann Baxter weiter. Nach einigen Minuten erreichte sie die Ostseite des Schlosses. Und damit einen der vier Türme.
Ann Baxter ließ kurz ihre Kugelschreiberlampe aufblinken. Sie entdeckte eine alte Holztür, durch die man in den Turm gelangen konnte.
Ann zögerte noch. Ein unbehagliches Gefühl hatte sie plötzlich beschlichen. Wie spitze Nadeln kribbelte eine Gänsehaut über ihren Rücken.
Tu’s nicht, sagte ihr eine innere Stimme. Geh zurück, schnell.
Ann ignorierte die Warnung. Sie atmete tief ein, machte sich dadurch selbst Mut und drückte entschlossen auf die schwere Klinke.
Knarrend schwang die Tür auf.
Ann zog unwillkürlich den Kopf ein, als sie den düsteren Turm betrat.
Spinnweben kitzelten ihr Gesicht, und Fledermäuse flatterten erschreckt auf.
Ann blieb stehen. Es war still wie in einem Grab. Die Journalistin meinte, man müsse ihren Herzschlag meilenweit hören.
Ann Baxter faßte sich ein Herz und ließ nochmals die Lampe aufblitzen.
Sie sah die ersten Stufen einer Wendeltreppe. Die Treppe führte sowohl nach oben als auch nach unten.
Anns Hände zitterten, als sie die Treppe betrat.
Die Journalistin wandte sich nach unten.
Schritt für Schritt, immer am inneren Rand der Stufen, nahm sie die Steintreppe.
Unbewußt zählte sie die Stufen mit.
»Sechs – sieben – acht – neun – zehn – elf…«
Mit einem lauten Krach schlug die Tür zum Turm zu.
Wie von einem Peitschenhieb getroffen, zuckte Ann Baxter zusammen.
Sie wußte genau, sie hatte die Tür offengelassen. Hatte sie nun der Wind zugeschlagen oder…?
Das plötzliche irre Gelächter traf Ann fast körperlich. Unheimlich hallte das Lachen durch den Turm, verstärkte sich und kehrte als Echo zurück.
Geräusche oben auf der
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