GK0001 - Die Nacht des Hexers
Treppe.
Schritte!
Panik erfaßte Ann Baxter.
Sie warf sich herum, knipste die Lampe an…
»Aaaahhhh!«
Anns Schrei gellte durch den Turm.
Der Strahl der kleinen Lampe erfaßte eine unheimliche Gestalt.
Ann Baxter sah nur das schreckliche Gesicht und den Oberkörper, doch das reichte ihr, um wie von Furien gehetzt die Treppe hinunterzulaufen. Krampfhaft hielt sie dabei die kleine Lampe fest.
Ann hätte die Treppe hinunterstürzen, sich das Genick brechen können, aber daran dachte sie im Moment nicht. Für sie gab es nur eins: Flucht!
Trotz ihres keuchenden Atems hörte sie hinter sich die Schritte des Mannes.
Ann hatte Glück. Unverletzt erreichte sie das Ende der Treppe.
Aber wohin?
Keine Tür, kein Durchgang, nichts.
Und die unheimliche Gestalt kam immer näher.
Ann preßte sich mit dem Rücken gegen eine kalte Steinwand. Angstschauer jagten durch ihren Körper. Hände und Beine zitterten wie Espenlaub.
Tapp, tapp, tapp.
Die Schritte wurden lauter, kamen näher.
Dann hörten sie ganz auf.
Ann wagte nicht, die Hand mit der Lampe hochzureißen.
Plötzlich wieder dieses irre Lachen.
Die kleine Taschenlampe entfiel Anns zitternden Fingern. Sie landete auf dem Boden und leuchtete dort weiter.
Das Lachen brach abrupt ab.
Ann Baxter glitt zurück. Schritt für Schritt.
Du mußt versuchen, in den Rücken dieses Untiers zu gelangen, sagte sie sich, um dann wieder die Treppe hinaufzulaufen.
Ann Baxter huschte weiter.
Ein Schatten verdunkelte den kleinen Lichtstreifen der Taschenlampe. Dann wurde sie mit einem knirschenden Geräusch zertreten.
Völlige Dunkelheit!
Und in der Dunkelheit ein irres Kichern.
Unbewußt riß Ann die Augen auf.
Sie war auf einmal nicht mehr fähig zu denken.
Heißer Atem streifte ihr Gesicht. Der Unheimliche hatte sie erreicht.
Und wieder das Kichern, als sich zwei Hände um Anns Hals legten.
Ann Baxter spürte die kalten Finger. Erbarmungslos drückten sie zu. Schon jetzt bekam sie keine Luft mehr.
Röchelnd sackte Ann Baxter zusammen. Unkontrolliert schlugen ihre Hände umher.
Und der Würger kicherte noch immer. Wie irr.
Schleier wallten vor Anns Augen. Schleier der Bewußtlosigkeit.
Und plötzlich löste sich der Druck von ihrem Hals. Ann konnte wieder frei atmen. Die stickige, verbrauchte Luft kam ihr wie reines Ozon vor.
Eine Stimme sagte irgendwelche Worte, die Ann nicht verstand.
Grelles Licht traf ihre Augen.
Ann Baxter blickte hoch.
Sie sah eine Hand, die eine Taschenlampe hielt, deren starker Schein sie blendete.
»Stehen Sie auf!« befahl die Stimme.
Automatisch gehorchte Ann. Ihre Knie zitterten.
»Folgen Sie mir!«
Der Mann wandte sich um.
Langsam ging Ann hinter ihm her. Der Mann, der sie beinahe erwürgt hatte, folgte ihm ebenfalls.
Die Taschenlampe des Unbekannten verbreitete soviel Licht, daß Ann ihre Umgebung relativ gut erkennen konnte.
Sie sah auch, woher der Mann gekommen war. Ein Felsquader in der Steinwand hatte sich zur Seite geschoben und einen Geheimgang freigegeben.
Gebückt gingen die drei Personen durch diesen Gang.
Nach wenigen Minuten gelangten sie in ein Labor.
Ann sah sich ängstlich um. Auf Holztischen brannten flackernd dicke Wachskerzen. Sie verbreiteten einen eigentümlichen Geruch. Durch irgendeinen Schacht gelangte frische Luft in das unheimliche Labor.
Der Mann mit der Taschenlampe wandte sich um.
Ann Baxter sah ein hageres Gesicht, in dem sich die Haut wie Pergament spannte. In den tief in den Höhlen liegenden Augen brannte ein unheimliches Feuer. Der Mann war mit einem schwarzen Umhang bekleidet, und seine knochigen Totenhände zuckten nervös.
Ann Baxter versuchte ein Lächeln. »Vielen Dank, daß Sie mich vor diesem Untier gerettet haben«, krächzte sie. Noch immer schmerzte ihr Hals, und das Sprechen fiel ihr schwer.
Der Mann legte die Taschenlampe auf einen Tisch.
»Du bist in mein Reich eingedrungen«, sagte er plötzlich mit Grabesstimme. »Ich, Professor Orgow, der Hexer, bin der Herr über Leben und Tod. Aber du wirst mein Reich auch wieder verlassen.«
Ann atmete auf. Das schien noch einmal gutgegangen zu sein. Doch die Journalistin hatte den drohenden Unterton in Orgows Stimme überhört.
Ann Baxter ahnte nicht, daß die nächsten Minuten schrecklich für sie werden würden…
***
Der Hexer kam langsam auf die Journalistin zu. Das flackernde Kerzenlicht entstellte sein Gesicht zu einer grauenhaften Fratze.
Unwillkürlich wich Ann bis an die Mauer zurück.
»Du wirst sterben«,
Weitere Kostenlose Bücher