GK0001 - Die Nacht des Hexers
auf dem Schloß«, flüsterte Buck ängstlich. »Er ist ein Vampir, ein Hexer, sagen die Leute. Niemand wagt sein Schloß zu betreten.«
John lachte laut auf. »Das sind doch Schauermärchen.«
In diesem Augenblick kam der Wirt zurück. Er rief Buck zu, er solle ihm mal im Keller helfen.
John Sinclair ging auch.
Draußen war es klar. Die Luft roch frisch. Eine fahle Herbstsonne leuchtete am Himmel.
John Sinclair spazierte bis zum Ende des Dorfes. Sein Blick schweifte über das Land und blieb an dem düsteren Schloß oben auf dem Felsen hängen.
Der Inspektor beobachtete Manor Castle eine ganze Weile. Aber er konnte keine Bewegung erkennen. Er beschloß, diesem seltsamen Gemäuer noch heute nacht einen Besuch abzustatten.
Dann ging er wieder zurück und erkundigte sich bei einem Dorfbewohner nach der Polizeistation.
Seltsamerweise lag das kleine Steinhaus in einer Nebenstraße. Die schwere Eingangstür war offen.
John Sinclair gelangte sofort in das Dienstzimmer. Ein Aktenschrank mit Inhalt, ein Bild der Queen, zwei Stühle und ein alter Schreibtisch stellten die Einrichtung dar.
Hinter dem Schreibtisch saß ein Bär von einem Mann, der sich bei Johns Eintritt erhob.
»Ich bin Konstabler Jones«, sagte er. »Was kann ich für Sie tun, Mister…«
»Ich heiße John Sinclair. Inspektor Sinclair, Scotland Yard, Konstabler.«
»Oh.« Der Beamte nahm unwillkürlich Haltung an.
»Nur keinen Wirbel«, lächelte John und setzte sich auf einen harten Bürostuhl.
Jones nahm ebenfalls wieder Platz.
»Wir haben Ihren Brief erhalten«, begann John. »Und ich kann Ihnen sagen, wir haben ihn mit Interesse gelesen. Daß an der Sache etwas dran ist, war uns sofort klar. Deshalb bin ich hier, Konstabler. Ich schlage vor, Sie erzählen mir noch einmal alles ganz genau.«
Konstabler Jones nickte eifrig und begann mit seinem Bericht. John hörte aufmerksam zu. Er unterbrach Jones mit keinem Wort.
Als der Beamte geendet hatte, nickte John. »Ich hätte natürlich noch einige Fragen, Konstabler.«
»Bitte, Sir.«
»Hat die Mordkommission die Asche der Toten untersucht?«
Jones bekam einen roten Kopf. »Nein«, gab er zu. »Als ich in das Haus zurückkam, um das Beweismaterial zu sichern, war es verschwunden.«
»Wieso?«
»Nachbarn waren aus lauter Neugierde in die Küche eingedrungen«, sagte der Konstabler. »Danach war die Asche weg. Hinterher wollte es keiner gewesen sein.«
»Schade«, sagte John. »Aber weiter. Haben Sie schon die Berichte der Mordkommission aus Carlisle?«
»Nein, Sir. Die Kollegen sagen, sie wären im Moment überlastet. Es ist in letzter Zeit soviel passiert. Außer Mary Winston sind ja noch andere Leichen verschwunden. Und sämtliche Fälle werden von den Kollegen aus Carlisle bearbeitet.«
»Aber diese anderen Leichen sind nicht wiederaufgetaucht«, vermutete John.
»Stimmt. Wir haben wenigstens nichts davon gehört.«
»Sie reden so, als würden Sie selbst an die Rückkehr der Toten glauben«, sagte John.
Der Konstabler rutschte unruhig auf seinem Stuhl hin und her. »Fast«, gab er schließlich zu. »Hier geschehen wirklich Dinge, die unbegreiflich sind. Wissen Sie, Sir, ich bin hier groß geworden. Die Bewohner in diesem Landstrich glauben eben an das Übernatürliche. Und ich auch. Die letzten Ereignisse haben mir recht gegeben.«
»Noch ist nichts bewiesen.«
»Trotzdem, Sir. Ich habe das Gefühl, es wird noch Schreckliches über uns kommen.«
»Bange machen gilt nicht«, sagte John. »Ich werde mir das Schloß auf jeden Fall mal aus der Nähe ansehen. Und zwar heute nacht.«
Der Konstabler schluckte. »Ist das nicht zu gefährlich? Ich meine… Ich fürchte… Sie können in den Tod laufen, Sir.«
»Das ist mein Risiko. Sollte ich jedoch wider Erwarten bis zum nächsten Tag nicht zurück sein, alarmieren Sie Scotland Yard. So, nun hätte ich noch eine andere Frage. Wer oder was ist diese Ann Baxter? Ich habe die Dame vorhin kennengelernt.«
»Sie ist eine Journalistin«, erwiderte Jones.
»Das hat sie mir auch gesagt. Aber ich werde das Gefühl nicht los, daß sie hier mehr machen will als nur Urlaub. Der Selbstmord dieses Mr. Winston ist ihr sehr an die Nerven gegangen.«
Der Konstabler zuckte die Achseln. »So genau habe ich mich auch nicht mit der Lady beschäftigt. Sie war mal bei mir und hat sich nach dem Schloß und seinem Besitzer erkundigt. Allerdings ziemlich intensiv, muß ich sagen. Sie hat auch im Dorf herumgefragt, und natürlich werden ihr die Bewohner von
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