GK0001 - Die Nacht des Hexers
flüsterte Orgow drohend.
Wie ein glühendes Schwert schnitt jede einzelne Silbe des Satzes in Anns Gehirn. Die Worte hatten zu bestimmt geklungen. Vor Anns Augen begann sich alles zu drehen.
Noch einmal nahm die Journalistin ihren ganzen Mut zusammen.
»Aber – aber… Warum haben Sie mich denn dann vorhin gerettet?« stotterte sie.
Professor Orgow lächelte grausam. »Ich will von dir noch etwas wissen. Wie du heißt, wo du herkommst. Was erzählt man im Dorf über mich? Los, rede!«
Anns Augen irrten zu dem Würger hin, der in der Ecke kauerte und sie anstarrte.
»Ich – ich…«, begann sie.
»Erzähle!«
Ganz nah trat Orgow an die Journalistin heran. Seine schwarzen Augen leuchteten in einem dämonischen Feuer.
»Ich – ich… komme aus London«, keuchte Ann erstickt. »Ich wollte Urlaub machen. Hier in Middlesbury. Dieses Schloß, es interessierte mich. Ich…«
»Was hat man dir im Dorf erzählt?«
»Gar nichts«, erwiderte Ann gequält.
»Du lügst.«
Der Hexer starrte die Journalistin an. Seine Augen schienen sie zu durchbohren. Ein seltsames Feuer ging von diesen Augen aus.
Hypnose, schoß es Ann durch den Kopf.
Sie blickte auf den Boden. Ihre Hände krallten sich in das rauhe Gestein. Ann spürte, wie ihre Nägel abbrachen und die Fingerspitzen anfingen zu bluten.
Eine eiskalte knochige Hand legte sich um ihren Hals. Unwillkürlich wandte Ann den Kopf.
Jetzt sah sie die Augen des Professors dicht vor sich. Seine schmalen trockenen Lippen öffneten sich. Speichel floß aus seinem Mund.
Diese eiskalten Totenhände! Das Blut schien in Anns Adern zu gerinnen.
»Komm mit«, raunte der Professor. »Komm mit in Laras Reich.«
Die Finger lösten sich von Anns Hals.
»Geh da hinein!«
Der Arm des Professors wies auf eine kaum mannsbreite Öffnung.
Ann gehorchte wie unter einem fremden Zwang. Schritt für Schritt ging sie auf die Öffnung zu.
Hinter ihr murmelte Orgow unverständliche Worte.
Ann blieb stehen. Ein Schwindelgefühl erfaßte sie.
»Geh weiter!«
Ann gehorchte.
Zögernd stoppte sie vor dem stockdunklen Raum. Sie wandte sich kurz um.
Professor Orgow stand hinter ihr und hielt eine Kerze in der Hand.
Der flackernde Schein reichte schon aus, um einen Teil des Raumes zu erkennen.
Orgow stieß Ann mit seinen knochigen Fingern in den Rücken.
Die Journalistin machte noch ein paar Schritte.
Süßlicher Geruch drang in ihre Nase…
Jetzt hatte auch Orgow den Raum betreten.
Voller Grauen schrie Ann auf. Ihr Blick glitt über die drei Leichen und blieb an dem offenen Sarkophag haften.
Anns Schreien ging in ein leises Wimmern über. Mit einer heftigen Bewegung preßte sie die Hände vor die Augen.
Dicht neben sich spürte sie Orgows Atem.
»Sieh hin! Sieh zu dem Sarkophag«, flüsterte er. »Dort liegt Lara. Nur sie hat die Kraft, die Toten wieder zu erwecken. Sie hat auch Mary wieder ins Leben geholt. Mary Winston, du kennst sie doch?«
Ann nickte schluchzend.
»Das ist gut. Das ist sehr gut. Hast du Mary gesehen?«
Ann schüttelte den Kopf. »Ich habe – ich habe… davon gehört«, stieß sie keuchend hervor. »Sie ist… zerfallen, sagen die Leute.«
Orgow lachte schrill. »Das ist gut. Niemand wird Mary mehr finden können. Und niemand weiß, wer sie wieder ins Leben zurückgerufen hat.«
Plötzlich packte der Hexer Ann an den Schultern. Seine spitzen Fingernägel gruben sich in ihr Fleisch.
»Hör zu. Lara ist stark geworden. Noch in dieser Nacht wird sie ihre Stärke beweisen. Mit dir soll sie anfangen.«
Anfangen, anfangen. Wie Hammerschläge drang das Wort in Anns Bewußtsein.
Und dann begriff sie. Lara konnte gar nicht bei ihr anfangen. Sie war ja noch gar nicht tot, Tot? Was hatte Orgow gesagt?
»Ich will nicht sterben!« brüllte Ann mit der Kraft, die noch in ihr steckte. »Ich will nicht!«
Sie stieß beide Fäuste vor. Mitten in das Gesicht des Hexers.
Orgow wurde von der Wucht des Schlages zurückgeschleudert.
Aber das sah Ann schon nicht mehr.
Wie ein Tier hetzte sie durch den engen Durchlaß, rannte in das Labor, hörte Orgows Schreien hinter sich und – blieb wie vom Blitzschlag getroffen stehen.
Der Würger!
Mordlüstern kam er auf Ann zu und versperrte ihr den Weg zu der rettenden Treppe.
Panik schüttelte die Frau.
Ann griff wahllos um sich, versuchte, irgend etwas in die Hand zu bekommen, um sich zu wehren…
Da warf sich der Mann auf sie.
Wie ein Brett knallte Ann Baxter auf den Boden. Schmerzhaft schlug sie mit dem Hinterkopf
Weitere Kostenlose Bücher