GK0049 - Dämonos
mindestens Dreißig, was die kleinen Fältchen in den Augenwinkeln verrieten.
Nachdenklich streifte John die Zigarettenasche ab. »Mr. Santer wird nicht mehr kommen, Miss Croydon. Er ist tot.«
»O Gott. Was sagen Sie?« Samantha Croydon starrte John mit offenem Mund an.
Zwei, drei Sekunden stand sie unbeweglich, dann brach sie weinend zusammen. John konnte sie gerade noch auffangen.
Er trug Samantha zu einem Stuhl. Es dauerte lange, bis sich die Frau wieder beruhigt hatte.
»Wie lange arbeiten Sie schon für Mr. Santer?« wollte John wissen.
»Seit über zwei Jahren«, erwiderte Samantha leise. »Wir verstanden uns sehr gut. Auch privat, wenn Sie wissen, was ich meine.«
John nickte. »Dann waren Sie bestimmt über alles informiert, was mit der Detektei zusammenhing.«
»Ja, Inspektor.«
John Sinclair blickte der Frau fest in die verweinten Augen. »Sie müssen mir alles sagen, was Sie wissen. Mit welchem Fall Mr. Santer beschäftigt gewesen war. Jede Kleinigkeit kann wichtig sein. Überlegen Sie gut.«
Samantha Croydon nickte. Sie holte ein Tuch aus ihrer Handtasche und putzte sich die Nase.
»Die Geschäfte gingen in der letzten Zeit etwas schlecht«, begann sie. »Bis vor wenigen Tagen. Da kam ein gewisser Derek Nichols zu uns und bat Garry, ich meine Mr. Santer, seine Tochter wiederzufinden. Das Mädchen heißt Cindy. Sie ist seit etwa vierzehn Tagen spurlos verschwunden.«
»Und? Hatte er eine Spur gefunden?« fragte John.
»Ja, Inspektor. Aber er wollte nicht so recht mit der Sprache heraus, als ich ihn daraufhin ansprach. Er sagte nur, daß er da in eine Sache hineingestolpert wäre, die ihm kein Mensch glauben würde. Er erwähnte noch einen chinesischen Geheimbund und meinte, wenn er diesen Fall lösen würde, wären wir aus dem Schneider.«
»Hat er sich näher über den Geheimbund ausgelassen?«
»Nein. Ich weiß nur, daß er sich oft in Soho herumgetrieben hat. In den finstersten Ecken. Garry hatte nie Angst. Außerdem kannte man ihn dort.«
»Hat er Ihnen mal von einem Lokal erzählt? Oder von einem Treffpunkt dieses Geheimbundes?«
»Nie. Er war der Meinung, dieser Fall sei so gefährlich, daß er nur ihn etwas anginge.«
John biß sich nachdenklich auf die Unterlippe. Das war verdammt mager, was Samantha Croydon wußte, und von einem neuen Geheimbund war auch Scotland Yard noch nichts bekannt.
»Tut mir leid, daß ich Ihnen nicht mehr sagen konnte, Inspektor.«
»Machen Sie sich mal keine Sorgen, Miss Croydon, wir werden den Fall schon klären«, erwiderte John optimistisch.
Dann trat er ans Telefon, um die Mordkommission anzurufen.
Anschließend sah John sich noch einmal den Chinesen an. Vielleicht entdeckte er bei ihm eine Spur oder einen Hinweis.
Die gebrochenen Augen des Mannes starrten John an. Der Inspektor durchsuchte die Jacke des Toten. Doch er fand nichts, was ihn weiterbringen konnte.
Dann schob er den blutbefleckten Pullover des Mannes hoch Und plötzlich zuckte John zusammen.
Der Tote hatte auf der Brust eine Tätowierung.
Es waren zwei Augen!
***
Der Raum, in dem Cindy Nichols saß, war stockfinster. Genau zwei Tage und zwei Nächte hatte sie hier verbracht.
Freiwillig!
Sie war einfach von zu Hause weggelaufen. Mein Gott, wie lange war das schon her? Cindy konnte und wollte sich nicht mehr daran erinnern. Sie hatte mit ihrem früheren Leben abgeschlossen.
Cindy dachte zurück. Sie hatte sich in Soho herumgetrieben, war für ein paar Shilling mit Männern ins Bett gegangen. Doch dann hatte sie einen Chinesen kennengelernt. Er hatte ihr von Dämonos erzählt, dem ersten Diener des Teufels. Und von Li Ten Sai, der Göttin aus der grauen Vorzeit, aus einer Zeit, wo die Erde noch von Dämonen und Geistern beherrscht wurde.
Cindy war sofort Feuer und Flamme gewesen. Sie vertraute jetzt nur noch Dämonos, von dem man sagte, er könne jede beliebige Gestalt annehmen.
Dann hatte man Cindy auf ihre Aufgaben vorbereitet. Sie mußte geheimnisvolle Schwüre sprechen, hatte Riten kennengelernt, die im ersten Augenblick auf sie abstoßend wirkten, bis sie den Zaubertrank der Hölle zu sich nahm.
Von diesem Zeitpunkt an war sie wie verwandelt. Hatte sich Dämonos, dem Diener des Teufels, völlig unterworfen. Und es hatte ihr große Freude gemacht.
Cindy Nichols hielt die Hände ineinander verkrampft. Jeden Augenblick mußte Dämonos den Raum betreten, um sie zu holen.
Cindy brauchte nicht lange zu warten. Die schwere Holztür wurde plötzlich aufgestoßen.
Zwei halb
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