GK0061 - Der Gnom mit den Krallenhänden
sich Johns Augen an die herrschenden Lichtverhältnisse gewöhnt hatten.
Langsam machte der Inspektor seine Runde. Der dünne Teppich auf dem Holzboden dämpfte seine Schritte ein wenig.
Hoch über sich hörte John Stimmen. Es waren die Bühnenarbeiter und Beleuchter, die ihre luftigen Sitze verließen. Dort oben brannte auch nur noch das Notlicht.
Aber wo war Sourette, der Magier? Auch der geheimnisvolle Kasten war verschwunden.
Ein Mann im weißen Kittel kam plötzlich von der Seite her auf John zu. Im gleichen Moment ging auch wieder das Licht an. John sah überall am Rand der Bühne die Notbeleuchtung brennen.
Der Weißkittel rief John an. »He, sind Sie wahnsinnig, Mister. Was haben Sie hier überhaupt zu suchen?«
Wer so redete, das konnte nur der Inspizient sein. Er war es auch, wie sich herausstellte, und er wurde wesentlich freundlicher, als John seinen Ausweis präsentierte.
»Oh, Scotland Yard. Was kann ich für Sie tun, Inspektor?«
»Ich möchte gerne die Garderobe des Magiers sehen.«
Der Inspizient knetete sein Doppelkinn. »Das ist sehr schwer, Sir. Mr. Sourette hat verboten, irgendwelche Besucher vorzulassen.«
»Bei mir wird er eine Ausnahme machen«, antwortete John. »Ach, sagen Sie, weshalb war es vorhin so dunkel?«
»Ein Kurzschluß in der Leitung, Inspektor.«
»Kommt das oft vor?«
»Eigentlich nie. Es war heute das erstemal. Komisch. Na ja, wir hatten schließlich einen Magier hier.«
Die Männer hatten inzwischen die Bühne verlassen, gingen eine eiserne Wendeltreppe hoch und gelangten in den langen Flur des Theaters, in dem sich auch die Garderoben der Künstler befanden.
»Hier ist es, Inspektor«, flüsterte der Inspizient und deutete auf die dritte Tür rechts. »Sie haben wohl nichts dagegen, wenn ich jetzt verschwinde.«
»Nein, nein«, lächelte John, »gehen Sie nur.«
Der Inspizient rannte weg.
John wollte gerade an die Garderobentür klopfen, als diese aufgerissen wurde. Der Gnom trat heraus.
John ging unwillkürlich einen Schritt zurück. Der Gnom reichte ihm kaum bis zum Bauchnabel. Er trug immer noch die Kleidung, die er auf der Bühne angehabt hatte. Sein Buckel schoß wie ein spitzer Höcker hervor. Er war insgesamt eine traurige, etwas lächerliche Erscheinung, wenn nicht die Augen gewesen wären.
Sie blickten kalt und brutal – ohne jegliches Gefühl.
»Was wollen Sie hier?« zischte der Verwachsene.
»Ich möchte den großen Sourette sprechen.« John gab sich bewußt den Anstrich eines Fans.
Der Gnom kicherte völlig unmotiviert. »Das möchten viele. Sehr viele sogar. Aber es ist noch keinem gelungen. Und auch Ihnen nicht. Hauen Sie ab, Mann!«
John kniff die Augen zusammen. Noch nahm er den Kerl nicht richtig ernst.
»Schön, dann werde ich eben der erste sein, der den Meister spricht.«
»Nein!« kreischte der Gnom, stellte sich blitzschnell vor die Garderobentür, breitete beide Arme aus und verwehrte John den Eintritt.
Der Inspektor lächelte, packte den Gnom am Kragen und wollte ihn zur Seite schieben.
Doch Cascabel hatte Kräfte, von denen der Inspektor nichts ahnen konnte.
Höllenkräfte!
John spürte den unerwarteten Widerstand, den ihm der Verwachsene entgegensetzte, und bekam einen brettharten Schlag in den Magen.
Der Inspektor taumelte. Ohne es zu wollen, stöhnte er auf. Er preßte beide Hände auf die getroffene Stelle und ging in die Knie.
Verschwommen sah er, wie der Bucklige die Garderobentür aufriß, in dem dahinterliegenden Raum verschwand und die Tür wieder zuwarf.
John quälte sich auf die Beine. Verdammt, er hatte den Kerl unterschätzt. Jetzt hieß es vorsichtig sein.
Inspektor Sinclair atmete tief durch und merkte, daß es ihm besser ging. Noch immer hatte sich auf dem Flur niemand blicken lassen. Von der sonst herrschenden Theaterhektik war nichts zu spüren.
Seltsam.
Welches Geheimnis verbarg die Garderobe? John mußte es herausfinden.
Er ging zu der nächsten Tür und fand sie offen. John huschte in den dahinterliegenden Raum.
Es war ebenfalls eine Garderobe. An einer Wand standen drei Schminktische mit den dazugehörigen Spiegeln. An der anderen entdeckte John einen Kleiderständer mit alten Kostümen. Licht brannte keines. Trotzdem fiel durch das Fenster von draußen noch genügend Helligkeit, um alles einigermaßen gut erkennen zu können.
John öffnete das Fenster. Er schaute an der alten Theaterfassade hinunter und hatte Glück.
Etwa einen halben Meter tiefer zog sich ein schmaler Sims um das
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