GK0061 - Der Gnom mit den Krallenhänden
Gebäude.
Hoffentlich hält der dein Gewicht, dachte John, als er aus dem Fenster kletterte.
Vorsichtig berührten seine Schuhe den Sims. John verlagerte das Gewicht voll auf seine Ballen, während seine Hände den Fensterrahmen umklammerten.
Das Gestein hielt.
Stück für Stück tastete sich John nach links, kam dem Garderobenfenster des Magiers immer näher.
Seine Finger fanden in den rissigen Steinen der Hausfassade Halt.
John hangelte sich weiter. Immer näher kam er dem Fenster. Fingerdick lag der Schweiß auf seiner Stirn. Seine Hände begannen zu zittern.
Nur nicht schlappmachen, hämmerte er sich ein.
John schaffte es.
Er war so weit gekommen, daß er nur seinen Kopf zu drehen brauchte, um in die Garderobe des Magiers sehen zu können.
Zuerst sah John nichts. Doch dann fiel ihm ein schwaches rotes Licht auf, das wie eine riesige Kerzenflamme in der Mitte des Raumes zu schweben schien.
Was dann geschah, war so unwahrscheinlich, daß es ihm niemand glauben würde.
Der Magier und der Gnom traten gleichzeitig in diesen Lichtschein, der sich von Sekunde zu Sekunde verstärkte.
John sah die Umrisse der Männer wie durch ein dickes rotgefärbtes Glas.
Und plötzlich waren die Konturen verschwunden. Weg, so als hätten sie sich aufgelöst.
Es gab keinen Magier mehr und keinen Gnom. Das Dämonenreich hatte sie verschluckt.
John Sinclair machte sich auf den Rückweg. Als er schließlich wieder in der Garderobe stand, zitterte er am gesamten Körper. Nun stand endgültig fest, daß er es mit einem Dämon zu tun hatte.
Der Inspektor zündete sich eine Zigarette an, obwohl es verboten war, hier zu rauchen. Dann trat er auf den Flur, auf dem sich noch immer kein Mensch befand.
John drückte die Zigarette aus und gelangte nach einigem Suchen in den Zuschauerraum, der gerade von den letzten Besuchern verlassen wurde.
John Sinclair suchte Kitty Jones. Er mußte ihr vorsichtig beibringen, daß ihre Freundin verloren war.
Aber Kitty war nirgendwo zu finden.
Auch an der Garderobe konnte John sie nicht entdecken. Die beiden Mäntel waren allerdings abgeholt worden, wie ihm die Garderobiere mitteilte.
John bedankte sich und ging nach draußen. Er achtete nicht auf die Bemerkungen, die manche Besucher über seinen verschmutzen Smoking machten.
Er mußte unbedingt Kitty Jones finden. John hatte das Gefühl, daß auch sie in einer großen Gefahr schwebte…
***
Kitty Jones wartete genau zehn Minuten.
Als John Sinclair dann noch nicht zurückgekehrt war, stand sie auf, ging zur Garderobe und holte ihren und Marions Mantel. Zum Glück hatte sie beide Karten eingesteckt.
Sie machte sich um ihre Freundin große Sorgen. Aber schließlich sagte sie sich, daß Kitty bestimmt schon zu Hause war und sie nur erschrecken wollte.
Zum Glück regnete es nicht, als das Mädchen aus dem Theater trat und die große Treppe hinunterging, um nach einem Taxi Ausschau zu halten.
Sie mußte warten. Das Angebot eines Mannes, sie mitzunehmen, lehnte sie ab.
Schließlich gelang es ihr doch, einen Wagen aufzutreiben. Sie setzte sich in den Fond und nannte ihre Adresse.
Während das Taxi durch die Straßen von London kurvte, hing Kitty ihren Gedanken nach. Sie machte sich plötzlich Vorwürfe, nicht doch noch länger gewartet zu haben.
Kitty merkte, daß sie schläfrig wurde. Sie schloß die Augen und dämmerte dahin.
»Kitty.«
Erschrocken zuckte das Mädchen zusammen.
Da hatte sie doch jemand gerufen. »Kitty.«
Wieder. Die Stimme. Mein Gott, die gehörte Marion.
Kitty riß die Augen auf, doch sie sah nur den Rücken des Taxifahrers.
Beunruhigt wandte Kitty den Kopf. »Marion?« fragte sie leise.
Nichts.
»Ist was, Miss?« fragte der Fahrer.
»Nein, nein. Schon gut.«
»Wir sind übrigens gleich da.«
Zwei Minuten später hatte Kitty das Taxi verlassen. Verloren stand sie vor dem siebenstöckigen alten Wohnhaus, das ihr auf einmal unheimlich vorkam.
Kitty kramte den Schlüssel aus der Handtasche und schloß auf. Dabei merkte sie, daß ihre Hände zitterten.
Kitty betrat den langen, mit grünen Fliesen gekachelten Hausflur und machte Licht.
In Gedanken versunken stieg sie die Steintreppe hoch. Als sie das erste Stockwerk erreichte, begann sie schneller zu gehen. Sicher wartete Marion bereits auf sie.
Kitty hatte den Wohnungsschlüssel schon in der Hand. Sie schloß auf und stellte fest, daß die Tür immer noch abgeschlossen war.
Merkwürdig, wenn Marion zu Hause war, tat sie das nie.
Leise betrat Kitty die
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