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GK0061 - Der Gnom mit den Krallenhänden

GK0061 - Der Gnom mit den Krallenhänden

Titel: GK0061 - Der Gnom mit den Krallenhänden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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Felsen waren ein Tummelplatz für Seevögel, und auch die alte Mühle hatten sich die Tiere schon als Nistplatz ausgesucht.
    Die Mühle war mit Teer angestrichen worden, und noch heute war die schwarze Urfarbe zum großen Teil erhalten geblieben.
    Als Eingang zur Mühle diente eine Holztür, die nach oben hin spitz zulief. Ein Schloß gab es nicht, und so schwang die Tür im Wind immer hin und her.
    Während unten im Dorf der tote Nachtwächter entdeckt wurde, lief Cascabel mit schnellen Schritten auf die Mühle zu. Den in dem Plastikbeutel steckenden Schädel hielt er mit beiden Händen fest umklammert, als hätte er Angst, die wertvolle Beute zu verlieren.
    Lautlos huschte der Verwachsene in die Mühle. Er lief durch den großen Raum, in dem sich die beiden Mühlsteine befanden, über die sich der große Trichter wölbte, in den früher das Korn geschüttet wurde, und blieb vor einer Falltür stehen.
    Cascabel bückte sich und zog sie hoch.
    Die Tür rastete auf halber Höhe ein. Cascabel betrat die ersten Sprossen der stabilen Holzleiter und tauchte in der Dunkelheit unter, nicht ohne vorher die Falltür wieder zugezogen zu haben.
    Der Verwachsene fand sich in der Finsternis ausgezeichnet zurecht. Nicht ein einziges Mal stieß er irgendwo an. Es schien, als würde er hier schon jahrelang leben.
    Seine gekrümmten Finger streichelten den erbeuteten Schädel. Cascabels Augen glühten. Noch war es nicht soweit. Noch mußte er warten.
    Bis Mitternacht…
    ***
    Vier schwarze Kerzen verbreiteten ein gespenstisches Licht. Die Kerzen bildeten ein Viereck, in dessen Mitte der Totenschädel lag, den Cascabel geraubt hatte.
    Um den Schädel herum lagen in peinlich genauer Reihenfolge einige Knochen. Sie bildeten seltsame Zeichen und Symbole.
    Die Flammen brannten ruhig und verströmten einen seltsam süßlichen Geruch. Sie rissen die feuchten Erdwände der Höhle aus der Dunkelheit und brachen sich an der blitzenden Schneide des Beils, das in der Ecke lehnte.
    Der Bucklige kniete auf dem Boden.
    Er hielt seine Augen starr auf den Schädel gerichtet und die Arme ausgestreckt. Seine dünnen Lippen murmelten halblaute Beschwörungsformeln.
    Cascabels Gesicht glich einer Maske, in der nur die dunklen Augen zu leben schienen. Das grauweiße Haar fiel ihm strähnig ins Gesicht und berührte im Nacken den Kragen seiner verschlissenen Jacke.
    Wie in Trance hockte Cascabel auf dem feuchten Boden. Sein Mund stieß die Worte jetzt lauter hervor, fordernder. Uralte magische Formeln drangen über seine Lippen. Ein dünner Schweißfilm legte sich auf die Stirn des Gnoms.
    »Komm!« schrie er. »Komm, o großer Sourette! Verlasse das Reich der Dämonen und kehre auf die Erde zurück, wo die Opfer auf dich warten!«
    Plötzlich schien die Luft zu knistern. Ein eiskalter Windzug fegte durch die Höhle. Die Flammen begannen zu flackern, richteten sich dann aber wieder auf.
    Wispernde Stimmen drangen aus Ecken und Winkeln. Schattengestalten tanzten durch das Verlies.
    Das Böse war im Anmarsch!
    Der Totenschädel begann auf einmal zu strahlen. Ein dunkelrotes Feuer hielt ihn gepackt, hüllte den gesamten Schädel für Sekunden ein und schwebte nach oben.
    Stumm starrte der Gnom auf das Schauspiel, das sich seinen Augen bot.
    Das Feuer verblaßte, verwandelte sich in dicke Rauchschwaden, die wie festgeklebt über dem Schädel hingen.
    Das Wispern und Raunen in der Höhle nahm zu. Schattenwesen umtanzten den Schädel, der wie von einer unsichtbaren Gewalt hochgehievt wurde.
    Die Augen des Gnoms verfolgten gebannt den Weg des bleichen Totenkopfes.
    Über der Rauchwolke blieb er stehen, verharrte für Sekunden, um dann eine seltsame Wandlung mitzumachen. Auf der kahlen Schädelplatte sprossen plötzlich dunkle Haare, die leeren Augenhöhlen füllten sich, Nase, Ohren und Lippen begannen sich zu formen, und die Knochen überzogen sich mit Fleisch. Ein dunkler Vollbartwuchs am Kinn des neu Erschaffenen. Aus der Rauchwolke entstand innerhalb von Augenblicken ein männlicher Körper.
    Sourette, der Magier, war aus dem Schattenreich zurückgekehrt.
    Cascabel hatte alles mit weit aufgerissenen Augen angesehen. »Sourette«, stöhnte er, »großer Sourette, nimm mich als deinen treuen Diener.«
    Der Magier gab keine Antwort. Stumm starrte er auf den Verwachsenen hinab.
    Das Wispern und Raunen hatte aufgehört. Totenstille lag über der Szene. Die Hölle hielt den Atem an.
    Doch dann hörte Cascabel ein hartes Geräusch. Es kam von oben, aus der Mühle.

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