GK0077 - Der Blutgraf
nicht. Na, wir werden sehen.«
»Nun werde du nicht auch noch nervös«, brummte Bill.
Inzwischen ging Sheila Conolly über die Mahagonitreppe in den mittleren Kabinentrakt. Es begegnete ihr kaum jemand. Die meisten waren beim Essen. Susans Worte fielen ihr wieder ein. Sheila hatte von einem Sarkophag gesprochen, der im Laderaum stand.
Komisch, warum mußte sie jetzt daran denken? Ich hätte den Männern doch davon erzählen sollen, dachte sie.
Nummer acht. Ja, das war Susans Kabinentür.
Sheila Conolly klopfte an.
»Wer ist da?«
Sheila atmete auf. Gott sei Dank, Susan war noch in ihrer Kabine.
»Ich bin’s, Sheila Conolly.«
»Ach so, ja einen Augenblick, bitte.«
Nach ein paar Sekunden wurde die Tür aufgezogen. »Kommen Sie doch herein, Sheila.«
»Danke.«
Blitzschnell ließ Sheila ihren Blick durch die Kabine gleiten. Doch Susan war allein, wie es schien. Einigermaßen beruhigt setzte sich Sheila in den Sessel.
»Warum sind Sie nicht gekommen, Susan?«
Susan Miller lächelte etwas verzerrt. »Ich – ich habe es einfach verschlafen. Ich war plötzlich so müde. Und als ich aufwachte, war es zu spät.«
»Unsinn.« Sheila schüttelte den Kopf. »Sie kommen jetzt mit und damit fertig.«
»Aber ich bin nicht angezogen. Pullover und Hose ist wohl nicht gerade der richtige Aufzug.«
»Ich könnte Ihnen ein langes Kleid geben«, schlug Susan vor.
»Nein, nein, das ist nicht nötig«, wehrte Susan heftig ab. »Ich habe auch gar keinen Hunger.«
Sheila Conolly war eine Frau schneller Entschlüsse. Und wenn ihr etwas nicht paßte, steuerte sie direkt auf ihr Ziel los.
»Irgend etwas stimmt mit Ihnen nicht, Susan.«
»Wieso?«
Susans Gesicht nahm plötzlich einen abweisenden Ausdruck an. Ihre Lippen preßten sich zusammen.
Sheila merkte das wohl, sagte aber nichts. Statt dessen meinte sie: »Wir kennen uns zwar noch nicht lange, aber ich war immer stolz darauf, mir schnell ein Bild von meinem Gegenüber machen zu können. Und Sie, Susan, habe ich in ganz anderer Erinnerung.«
»So? In welcher denn?« Susans Stimme klang lauernd.
»Sie waren lebenslustiger. Haben sich auf das Essen gefreut. Auch auf Mr. Sinclair, wie ich…«
Sheila brach plötzlich ab. Ihr Blick war auf den Teppich gefallen. Der dunkle Fleck sprang ihr förmlich ins Auge.
»Was ist das denn?«
»Das, das ist, das ist…« Susan geriet ins Stottern.
»Etwa Blut?«
Für einen Augenblick stand Susan Miller wie versteinert. Dann sagte sie: »Ja, es ist Blut.«
»Aber wie kommt das auf den Teppich? Haben Sie sich verletzt?«
»Nein, ich nicht. Ein anderer ist verletzt worden. Oder besser gesagt umgebracht worden. Und ich habe es getan.«
Sheila hatte das Gefühl, von einem Keulenschlag getroffen worden zu sein.
Sie versuchte zu lächeln, doch es wurde nur eine Grimasse daraus. »Das erzählen Sie mir nur. Sie lügen doch. Susan.«
»Nein, ich lüge nicht. Ich habe Seymour Destry umgebracht. Wollen Sie ihn sehen?«
»Ja«, sagte Sheila, die wirklich wissen wollte, was an Susan Millers Worten dran war.
»Kommen Sie, Sheila, Sie werden ihre Überraschung erleben.«
Susan Miller öffnete die Tür zum Duschraum.
Sheila stand langsam auf. Mit einem heftigen Ruck zog Susan den Plastikvorhang zur Seite.
»Da liegt er!«
Sheila Conolly schluckte. Sie sah direkt in das grauenhaft verzerrte Gesicht des Toten. Blutspritzer hatten das Brausebecken benetzt.
»Es ist also wahr«, flüsterte Sheila. »Sie haben ihn umgebracht.«
»Ja, ich sagte es Ihnen doch. Und er wird nicht mein einziges Opfer bleiben. Ich werde sie alle töten. Alle!«
Die letzten Worte weckten Sheila Conolly aus ihrer Erstarrung. Sie wirbelte herum.
Susans Gesicht hatte sich verwandelt.
Eine Vampirfratze starrte Sheila an. Die mörderischen Eckzähne blitzten. Zwei Arme schossen vor. Krallenhände griffen nach Sheilas Schultern.
»Du wirst mir dein Blut geben«, keuchte Susan. Mit einem Ruck zog sie Sheila zu sich heran, wollte ihre Zähne in den Hals der Frau bohren.
Doch Sheila Conolly hatte schon einiges erlebt. Sie war mehrmals mit dem Grauen konfrontiert worden, und deshalb behielt sie in diesem entscheidenden Moment die Nerven.
Ehe die Zähne die Haut ihres Halses berühren konnten, riß Sheila ihren rechten Arm hoch und stieß gedankenschnell zwei gespreizte Finger in die Augen der Untoten.
Die Wirkung war frappierend.
Susan heulte auf. Ihre Hände lösten sich von Sheilas Körper. Sie wankte zurück in den Wohnraum der Kabine hinein.
Die
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