GK0077 - Der Blutgraf
war stärker als die Kraft des Vampirs.
Wie unter Stromstößen zuckte der Untote zusammen. Gräßliche Laute entrangen sich seiner Kehle.
Warum hatte er sich nicht verkrochen? Jetzt war es zu spät. Und der Graf? Wo war er? Er…
Die Gedanken des Vampir stockten.
Der Mann, der draußen mit der Lanze nach ihm gezielt hatte, war vorgetreten.
Er hielt die Waffe in der rechten Hand. Höhnisch schien das zugespitzte Ende den Vampir anzugrinsen.
Er wollte weglaufen, sich irgendwo verkriechen, doch das Kreuz bannte ihn auf der Stelle.
Das Gesicht des Lanzenträgers war verzerrt. Die Augen funkelten in gnadenlosem Haß. Ein Vampir hatte seine Schwester genommen.
Jetzt würde er sich rächen!
Der Mann zielte genau, sah nur die Brust des Vampirs, die er gar nicht verfehlen konnte.
Dann stieß er zu.
Die Holzlanze pfiff durch die Luft, drang mit ungeheurer Wucht in den Körper des Vampirs, nagelte diesen förmlich an der Wand fest.
Ein grauenhafter Schrei, der den Männern das Blut in den Adern gefrieren ließ, entrang sich der Kehle des Vampirs. Verzweifelt krallte er seine Hände um den Lanzenschaft, wollte die Waffe aus seiner Brust ziehen.
Er schaffte es nicht.
Röchelnd sackte er zu Boden.
Eine schwarze Flüssigkeit quoll in einem dicken Strahl aus der Wunde.
Vampirblut!
Noch einmal bäumte sich der Körper des Vampirs auf. Geifer tropfte aus dem geöffneten Mund.
Dann sackte der Untote zusammen, begann zu verfaulen und war Minuten später nur noch Staub.
Atemlos hatten die Häscher dem Todeskampf des Vampirs zugesehen. Auch sie hatte das Grauen gepackt Alle hatten damit gerechnet, daß es schlimm werden würde. Aber so schrecklich…
»Los, wir müssen Tomaso finden!« schreckte die Stimme des Anführers die Vampirjäger auf.
Sie begannen mit der Durchsuchung des Schlosses. Sahen in den Türmen und Kellern nach, doch von Graf Sandor Tomaso fanden sie nicht die geringste Spur.
Nach zwei Stunden brachen die Vampirjäger die Suche ab. Sie versammelten sich wieder unten in der Halle.
»Der Graf ist verschwunden«, bemerkte einer und sprach das aus, was alle schon wußten. Sie hatten zwar einen Vampir erledigt, aber das Grundübel nicht ausgerottet.
Noch einmal durchstreiften die Männer das Schloß. Wieder ohne Erfolg.
Es war in den Morgenstunden, als sie endlich die Suche abbrachen. Trotzdem wollten die Vampirjäger auch das letzte versuchen.
Sie steckten die Burg in Brand.
Himmelhoch schlugen die Flammen in den dunklen Himmel. Das Gebälk fing sofort Feuer. Krachend stürzten Mauern und Decken zusammen. Funken stoben auf. Alle Einwohner des nächsten Dorfes hatten sich versammelt und sahen dem grandiosen Schauspiel zu. Die Vampire waren besiegt. Es würde wieder Ruhe eintreten.
Dies alles geschah im Jahre 1852, zu einer Zeit, da überall im Land noch der Aberglaube regierte.
Über hundert Jahre später jedoch sollte die gesamte Geschichte auf grauenvolle Weise noch einmal aufgerollt werden…
***
Schier endlos zog sich die Straße durch das bewaldete Hügelland in Richtung Westen, der Grenze entgegen.
Der graue VW-Bus fuhr nur mit mäßigem Tempo. Es gab zu viele Kurven und überraschende Hindernisse, die plötzlich auftauchen konnten. Einmal hätte der Bus bald einen Jauchekarren gerammt. Im letzten Moment gelang jedoch noch eine Vollbremsung.
Ein kühler Ostwind fegte durch die Hügel, entriß den Bäumen die letzten Blätter.
Novemberwetter!
Zum Glück regnete es nicht. Die nicht asphaltierten Wege wären eine einzige Schlammstrecke geworden.
»Jetzt noch die Burg des Grafen Tomaso, dann haben wir es hinter uns«, sagte Dr. Fulmer, der Mann, der den VW-Bus steuerte.
Dr. Hank Fulmer war der Leiter der Expedition. Der Wissenschaftler unterrichtete normalerweise Archäologie und Ethnologie an der Universität in Miami. In diesem Sommer und Herbst hatte er jedoch seinen Job sausen lassen und eine Expedition zusammengetrommelt, um sich europäische Schlösser und Burgen anzusehen. Da interessierte ihn besonders der Balkan.
Rumänien und ein großer Teil von Ungarn lag schon hinter ihnen. Sie näherten sich bereits der österreichischen Grenze, und nur eine Burg wollten sie noch mitnehmen.
Sie – das waren ferner Seymour Destry, Dr. Fulmers Assistent, und Susan Miller, ebenfalls Assistentin bei Fulmer.
Seymour Destry hockte auf dem Beifahrersitz und hatte die Karte auf den Knien liegen. Mit einem Bleistift hatte er die Fahrtroute des Wagens markiert.
»Noch ungefähr zehn Meilen,
Weitere Kostenlose Bücher