GK0077 - Der Blutgraf
Doc.«
Dr. Fulmer nickte. »Okay, wir werden dann in dem Ort, wie heißt er noch gleich?«
»Szöllny.«
»Ja, richtig Szöllny. Komischer Name übrigens. Wir werden also dort übernachten. Morgen statten wir der Schloßruine einen Besuch ab.«
»Warum denn nicht schon heute abend?« wollte Susan Miller wissen. »Wir hätten Zeit gespart.«
»Glaubst du, ich möchte im Dunkeln in der Ruine rumkriechen«, brummte Seymour Destry. »Nee, morgen ist auch noch ein Tag.«
Seymour Destry galt im allgemeinen als verschlossener Typ. Er redete nie viel und starrte oft dumpf brütend vor sich hin. Destry war vierundzwanzig Jahre alt. Er hatte pechschwarzes Haar und ebenso dunkle Augen, die er meist etwas zusammengekniffen hatte.
Das Gegenteil von ihm war Susan Miller. Blond, hübsch und temperamentvoll. Ihr war nie etwas zuviel. Susan war ein Mädchen, mit dem man Pferde stehlen konnte. Meistens lief sie in verwaschenen Jeans und den entsprechenden Pullovern herum. Sie erinnerte mehr an eine Tramperin als an eine wissenschaftliche Assistentin.
Am farblosesten wirkte Dr. Fulmer. Er hatte ein schmales Gesicht und trug eine dunkel getönte Brille. Sein schütteres Haar war nach hinten gekämmt. Es reichte bis auf den Kragen seiner beigen Windjacke. Ein normaler Beobachter hätte nie geahnt, welche Energie in diesem Mann steckte.
Susan Miller, die auf der Rückbank des VW-Busses saß, drehte an den Knöpfen eines Radios herum. Irgendein Sender brachte Zigeunermusik.
»Passend für Ungarn, findet ihr nicht auch?« rief sie und wiegte ihren Kopf im Takt der Melodie.
»Sie sind und bleiben eine Romantikerin«, erwiderte Dr. Fulmer lachend.
»Na und? Romantik ist in.«
Seymour Destry sagte nichts. Stur blickte er auf die Karte.
Die Straße wurde belebter. Trecker und Pferdegespanne kamen dem Bus entgegen. Man konnte merken, daß das Dorf nicht mehr weit war.
Die Reise der drei Wissenschaftler hatte sich über drei Monate hingezogen. Sie hatten manch wertvolles Requisit aus vergangenen Zeiten erstehen können. Die Sachen standen gut verpackt auf der Ladefläche des Busses. Einige größere Stücke waren schon nach Amsterdam geschafft worden. Von hier aus sollte es mit dem Schiff bis nach Florida gehen, wo die Sachen dann zwecks einer genauen Untersuchung an die Universität gebracht werden sollten.
Das Dorf tauchte auf. Wie fast überall war das Wahrzeichen ein großer Ziehbrunnen, vor dem eine Schafherde friedlich graste.
Die Menschen auf den Straßen sahen den VW-Bus kaum an. Sie waren es gewohnt, daß oft Touristen herkamen und auch übernachteten.
Dr. Fulmer stoppte vor einer Pension. Mit steifen Gliedern stiegen die drei Wissenschaftler aus.
Einige Kinder kamen angelaufen. Sie drückten ihre Nasen an den Scheiben des Busses platt, um einen Blick in das Innere erhaschen zu können.
Der Pensionsinhaber, ein pausbäckiger Mann mit einer roten Baskenmütze auf dem Kopf, trat vor die Tür. Er strahlte wie das berühmte Honigkuchenpferd.
»Die Herrschaften möchten Zimmer?« fragte er in gebrochenem Deutsch.
Dr. Fulmer, der die Sprache einigermaßen gut verstand, nickte. »Drei Zimmer.«
»Haben wir frei, mein Herr. Haben wir frei.« Der Wirt deutete eine leichte Verbeugung an. »Bitte kommen Sie herein. Meine Frau und ich werden uns um Sie kümmern.«
Die drei Amerikaner waren von der Freundlichkeit der Menschen nicht mehr überrascht. Auf ihrer gesamten Reise hatte es keinen Streit gegeben.
Die Gaststube war gemütlich eingerichtet. Die Wände waren mit Holz verkleidet, und von der ebenfalls getäfelten Decke hingen die Gewürze des Balkans. Rote und grüne Paprikaschoten und kleine, scharf gewürzte Salamis verbreiteten einen eigenartigen Duft. Auf den Tischen lagen bunt bestickte Decken. Alles sah freundlich und warm aus. Zwei Tische waren nur besetzt. Die Männer dort kümmerten sich nicht um die Neuankömmlinge.
Die Amerikaner setzten sich in die Nähe des Fensters. Der Wirt brachte unaufgefordert eine Karaffe Rotwein und drei Gläser.
»Ein Begrüßungsschluck auf Kosten des Hauses«, sagte er.
Der Wein war kühl und schmeckte leicht harzig.
»Setzen Sie sich doch ein wenig zu uns«, meinte Dr. Fulmer, der die Erfahrung gemacht hatte, daß in solchen Dörfern die Wirte am meisten wußten.
»Ich weiß nicht so recht, mein Herr. Sie wollen, sicherlich etwas essen, und da…«
»Aber erst später.«
»Dann bitte schön.«
Der Wirt holte sich auch noch ein Glas, schenkte ein und nahm einen tiefen
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