GK0141 - Irrfahrt ins Jenseits
»Auch wenn du der Geister-Jäger bist, wirst du mich nicht daran hindern können, mir mein letztes Opfer zu nehmen. Jahrtausende habe ich darauf gewartet. Ich bin damals von den mächtigeren Dämonen grausam bestraft worden und hatte lange Zeit, mir meine Rache auszudenken. Ich habe die Strafe widerspruchslos hingenommen und auch die Teilung, obwohl dadurch viel Kraft verloren ging. Aber ich habe gebüßt. Habe Siege und Niederlagen meiner Brüder mitbekommen und nur auf meine Stunde gewartet. Und dann war es endlich soweit. Die Strafe wurde aufgehoben. Doch erst mußte eine Bedingung erfüllt werden, damit die beiden Körper wieder eins werden. Sieben Opfer sollten es sein. Ich stehe dicht vor dem Ziel. Doch die Vereinigung wirst du nicht mehr miterleben. Sie wird erst nach deinem Tod stattfinden, Geister-Jäger!«
Der Kelem hatte John die Worte haßerfüllt ins Gesicht geschleudert. »Ich hatte Zeit, zu lernen«, fuhr er fort. »Glaub nur nicht, daß du mich mit geweihten Silberkugeln besiegen kannst. Nein, auch die Dämonen haben sich weiterentwickelt, um im Kampf gegen die Menschheit bestehen zu können. Und nun werde ich dich töten, du verdammter Erdenwurm. Denk daran, du hast es nicht mit einem Gegner zu tun. Wir sind zu zweit.«
»Irrtum«, erwiderte John kalt. »Der Gesichtslose wird dir nicht helfen können. Er befindet sich auf dem Burghof. Ich habe ihn, wie man so schön sagt, ausgesperrt.«
»Wirklich?« höhnte der Kelem. »Du müßtest doch wissen, daß ein Dämon Kraft seines Geistes ein normales Schloß aufbekommen kann. Dreh dich nur mal um.«
John Sinclair glaubte an einen Bluff, doch dann hörte er hinter seinem Rücken Alice Paine aufschluchzen.
John wirbelte um die eigene Achse.
Der Kelem hatte nicht gelogen. Auf der untersten Treppenstufe stand der Gesichtslose. Und er hielt seine Peitsche in der Hand.
John Sinclair sträubten sich die Haare. Seine Chancen sanken auf ein Minimum. Er war von zwei zu allem entschlossenen Gegnern eingekreist, und er konnte nicht einmal sagen, welcher der Gefährlichere der beiden war.
Sein Blick streifte das gefangene Mädchen. Alice Paine war an der Wand zusammengesunken und kauerte auf dem Boden. Sie hatte die Beine angezogen, hielt den Körper geduckt und ihre Hände gegen das Gesicht gepreßt.
Sekunden verrannen.
Mit einer kaum wahrzunehmenden Bewegung schüttelte der Gesichtslose die Peitschenschnur aus. Sie ringelte über dem Boden wie eine Schlange.
John erkannte unter der Kapuze kein Gesicht, glaubte aber, die Ausstrahlung des Bösen beinahe körperlich zu spüren.
Welchen Dämon sollte er zuerst angreifen? Den Kelem, den Gesichtslosen?
Einer war so gefährlich wie der andere.
Und womit sollte er sie besiegen? Seine mit geweihten Silberkugeln geladene Pistole war wertlos, und auch der Dolch würde ihm nicht viel helfen.
Ihm vielleicht nicht, aber dem Kind!
Der Griff des Dolches hatte die Form eines Kreuzes. Und bisher hatte ein geweihtes Symbol noch immer gegen die Mächte der Finsternis geholfen. Es schreckte sie ab und bereitete ihnen oft körperliche Schmerzen.
Mit einer blitzschnellen Bewegung zog John den Dolch, und ehe einer der beiden Dämonen reagieren konnte, hatte er die Waffe dem Mädchen in die Hand gedrückt.
Und zwar so, daß das Kreuz zu sehen war.
»Halt ihn gut fest«, sagte John. Alice hatte nicht begriffen, folgte aber automatisch Johns Anordnungen.
Zum Glück hatte der Dolch keine geschliffene Scheide, sonst hätte sich das Mädchen die Hände verletzt.
Da schlug der Gesichtslose zu.
John Sinclair sah es aus den Augenwinkeln, machte einen grotesk anmutenden Sprung nach vorn und entging dem Leder um Haaresbreite.
Wieder pfiff das Leder heran, ringelte sich plötzlich um Johns Körper, und dann wurde der Oberinspektor mit mörderischer Wucht auf den Gesichtslosen zugerissen.
Einen Arm hatte John Sinclair noch frei, aber damit würde er sich die beiden Gegner kaum vom Leibe halten können. Der Kelem hatte sich neben den Gesichtslosen gestellt, erwartete John Sinclair mit gekrümmten Klauenhänden.
John stemmte sich gegen den Zug.
Ohne Erfolg. Der Gesichtslose hatte übermenschliche Kräfte.
Der Geister-Jäger fiel zu Boden, hielt sich mit einer Hand am Rand eines Steinsarges fest, wurde weitergezogen und rutschte mit der Hand ab, deren Innenfläche sofort zu bluten begann.
Der Gesichtslose und der Kelem lachten. Ihnen war etwas gelungen, wovon die meisten Dämonen nur träumten. Der Geister-Jäger befand sich
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