GK0148 - Der Voodoo-Mörder
Der Weg führte zum Tor, und da es verschlossen war, mußte Nelly Parker über den Zaun klettern. Sie tat dies mit abgehackten, aber gekonnten Bewegungen. Schon bald stand sie auf der schmalen Zufahrtsstraße, die zum Friedhof führte.
Bis jetzt war ihr kein Mensch begegnet, doch das konnte sich schnell ändern. Es gab auf dem Gelände der Universität immer wieder Studenten, die später nach Hause kamen.
Ein Plan bildete sich im Gehirn der Untoten. Obwohl mit dem Tod seine Funktionen erloschen waren, hatte der gefährliche Voodoo-Zauber doch bewirkt, daß es in eine bestimmte Richtung denken konnte.
Die Untote tastete mit ihren Augen die Umgebung ab, als suche sie etwas Bestimmtes.
Schließlich ging Nelly Parker weiter, näherte sich unaufhaltsam den großen Parkplätzen. Ihre Füße klatschten auf den Asphalt. Die Untote war aber so geschickt, daß sie sich immer in Deckung irgendwelcher Buschgruppen hielt, um nicht schon zu früh entdeckt zu werden.
Einmal hörte sie Stimmen.
Sofort blieb Nelly Parker stehen.
Ein Mädchen lachte perlend, und ein Mann antwortete ebenfalls lachend.
Dann verstummten die Stimmen. Das Pärchen hatte sich in eine andere Richtung entfernt.
Nelly ging weiter. Schon sah sie die Konturen der abgestellten Wagen. Das Mondlicht spiegelte sich auf dem glänzenden Lack.
Neben einem deutschen Wagen, einem Mercedes, blieb Nelly Parker wartend stehen. Sie hatte Zeit. Irgendwann würde schon jemand kommen.
Es war eine wunderbare Frühlingsnacht. Der Wind trieb den Geruch von Ginster und Kirschbaumblüten über den Parkplatz und verdrängte den Totengeruch der lebenden Leiche.
Eine Viertelstunde verging. Und dann tauchten plötzlich die Scheinwerfer eines Wagens auf.
Die Haltung der Untoten spannte sich. Sollte sie jetzt schon solch ein Glück haben?
Das Fahrzeug fuhr in eine Kurve und rauschte dann mit singenden Reifen in die Einfahrt zum Parkplatz.
Nelly Parker ging los.
Der Wagen hatte gestoppt und wurde rückwärts in eine Lücke gesetzt.
Nelly Parker näherte sich dem Fahrzeug von der Seite, blieb geschickt im toten Winkel Der Fahrer löschte die Scheinwerfer, stieg ahnungslos aus, bückte sich noch einmal und holte seinen Mantel aus dem Wagen.
In dieser Haltung traf ihn der Schlag. Die Untote hatte die Hand zur Faust geballt und sie dem jungen Studenten in den Rücken gehämmert.
Ächzend brach der Mann zusammen, fiel mit dem Oberkörper auf den Fahrersitz, während die Beine aus dem Wagen heraus hingen.
Nelly Parker packte die Füße, zog den Mann aus dem Wagen.
Er fiel mit dem Kopf auf den Asphalt, wurde für Sekunden bewußtlos.
Die Zeit reichte der Untoten. Geschickt schwang sie sich hinter das Lenkrad, startete und fuhr los.
Ihr Ziel kannte sie. Es war die William Road, in der ein Mann namens Victor Jory wohnte…
***
Victor Jory wußte nicht, wie lange er bewußtlos gewesen war.
Jedenfalls umfing ihn völlige Dunkelheit, als er aufwachte.
Er hatte ein seltsam taubes Gefühl im Kopf, und seine Zunge klebte dick und pelzig am Gaumen.
Mühsam ordnete Jory seine Gedanken, dann wußte er wieder, was geschehen war. Er stand auf, wankte zur Tür und torkelte aus dem Raum. Seine Hand tippte gegen den Lichtschalter.
Die Helligkeit schmerzte in seinen Augen.
Victor Jory preßte die Hände gegen das Gesicht, riß die Tür zum Bad auf und hielt seinen Kopf unter einen eiskalten Wasserstrahl.
Dann stützte er sich am Waschbecken hoch, öffnete die Augen, blickte in den Spiegel – und erschrak.
Sein Gesicht glich einer furchterregenden Fratze.
Durch das Wasser war die Dämonenerde verlaufen und zum Teil abgespült worden. Nur unter den Augen und in den Mundwinkeln hielten sich noch Krusten.
Sein Oberkörper war nach wie vor mit der braunen Erde bedeckt.
Jory stellte sich unter die Dusche und spülte auch diesen Schlamm ab. Dann zog er sich an, setzte sich an den Küchentisch und starrte auf die Platte.
Seine Gedanken wirbelten. Er wußte, daß er die Hölle beschworen hatte, und wußte auch, daß es ihm gelungen war.
Doch jetzt fürchtete er sich plötzlich vor den Folgen. Welche Kräfte hatte er damit freigesetzt? Würde es ihm überhaupt noch gelingen, sie unter Kontrolle zu halten?
Schwer atmete Jory aus. Mit zitternden Knien verließ er die Küche und blieb vor der Tür seines ›Arbeitszimmers‹ stehen.
Fast hatte er Angst, es zu betreten.
Was würde ihn dort erwarten? Was war geschehen, während er bewußtlos gewesen war?
Jory gab sich einen Ruck und
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