GK0148 - Der Voodoo-Mörder
stieß die Tür auf. Er ließ sie ganz aufschwingen. Von der Diele her fiel genügend Licht in den Raum.
Jory sah den Teppich, die heruntergebrannten Kerzen, die Schale mit Hühnerblut, die Dämonenerde – und die Puppe.
Sie lag auf dem Rücken, die Nadel daneben.
Zögernd betrat Jory das Zimmer, bückte sich und hob die kleine Puppe auf.
Prüfend hielt er sie vor sein Gesicht. Das Hühnerblut war eingetrocknet. Die Puppe hatte eine braunrote Farbe angenommen.
Dann saugten sich Jorys Augen an dem Gesicht fest.
Es hatte sich verändert.
Die Züge waren glatt und nichtssagend geworden. Kein Anzeichen deutete auf Nelly Parker hin.
Victor Jory starrte die Puppe an wie einen Geist. Mit marionettenhaften Bewegungen ging er zum Schrank und stellte die Puppe weg. Die Nadel ließ er ebenfalls verschwinden.
Fröstelnd zog er die Schultern hoch. Der Raum strömte eine Kälte aus, die ihm unbekannt war. Jory ahnte, daß es die Kälte des Todes war…
Es war still in der Wohnung, und auch von draußen war kein Laut zu hören. Jetzt – in den Stunden nach Mitternacht – schlief die Riesenstadt London, holte Atem vor einem neuen, ereignisreichen Tag.
Victor Jory zündete sich eine Zigarette an. Er sah, daß seine Finger zitterten. Tief sog er den Rauch in die Lungen, und je mehr Zeit verging, um so besser verkraftete er den Schock. Es hatte ja schließlich alles geklappt. Besser, als er angenommen hatte.
Das Brummen eines Automotors drang an seine Ohren. Dann quietschten Bremsen.
Victor Jory wurde hellhörig. Der Wagen hatte direkt vor seinem Haus gehalten.
Jory drückte die Zigarette aus und hastete zum Fenster.
Spaltbreit schob er den Vorhang weg.
Vor seiner Haustür parkte der Wagen. Eine Tür wurde zugeworfen. Jory hatte nicht sehen können, wer ausgestiegen war, der Winkel war zu ungünstig.
Eine innere Unruhe hatte ihn gepackt. Wer war dort unten aus dem Fahrzeug gestiegen, und wem galt dieser Besuch?
Das Schrillen der Klingel drang beinahe schmerzhaft in sein Bewußtsein.
Victor Jory zuckte zusammen wie unter einem Peitschenhieb.
Seine Hände verkrampften sich.
Langsam ging er zur Tür.
Wieder klingelte es. Diesmal länger, fordernder.
Jory beeilte sich. Er wollte nicht, daß die Mieter des Hauses geweckt wurden. Hoffentlich war unten die Tür nicht abgeschlossen.
Jory drückte auf den Türknopf und öffnete gleichzeitig die Wohnungstür.
Unten wurde die Haustür geöffnet, fiel wieder ins Schloß.
Schritte näherten sich der Treppe.
Victor Jory hielt den Atem an. Nervös grub er seine Zähne in die Unterlippe.
Stufe für Stufe kam der Besucher höher, hatte jetzt den ersten Absatz erreicht.
Jory stand breitbeinig auf seiner Fußmatte, hatte die Hände zu Fäusten geballt und starrte seinem nächtlichen Gast entgegen.
Und dann sah er sie!
Jorys Gesicht verzerrte sich. Nur mühsam unterdrückte er einen Schrei. Die Person, die dort steif die Stufen heraufstieg, war niemand anderes als Nelly Parker!
Wie ein Roboter ging sie auf Jory zu, blieb einen Schritt vor ihm stehen. Victor Jory spürte den Hauch von Tod und Verwesung, der ihm entgegenströmte.
Die Untote öffnete den Mund. Mit dumpfer Stimme sagte sie:
»Du hast mich gerufen. Jetzt bin ich da, Meister!«
***
Es schellte.
John Sinclair unterdrückte einen Fluch, schaltete den Elektroherd aus und nahm die Pfanne von der Platte. Er hatte keine Lust, verbrannte Spiegeleier zu essen.
Es war schon nach zwanzig Uhr. John rechnete eigentlich nicht mehr mit Besuch. Er war noch lange im Büro gewesen und hatte versucht, Auskünfte über den Bibliothekar zu erhalten. Ohne Erfolg. Victor Jory war in keiner Kartei vermerkt. Da mußte selbst der Computer passen.
Aber diese Arbeit hatte eben aufgehalten. John war ziemlich sauer nach Hause gefahren, wollte eine Kleinigkeit essen, danach etwas lesen und sich ins Bett legen.
Und jetzt dieser unangemeldete Besuch.
John schleuderte seine Schürze in die Ecke und hatte kaum die kleine Diele betreten, da schellte es abermals.
»Ja doch, zum Teufel«, knurrte der Oberinspektor.
Er blieb trotz der Eile vorsichtig, zog die Klappe vom Türspion zur Seite und peilte durch die Optik.
Vor der Tür stand ein Telegrammbote. John sah es an der grauen Uniform.
Der Oberinspektor öffnete.
John Sinclair sah den Faustschlag gar nicht kommen. Etwas explodierte in seiner Magengrube und schleuderte ihn zurück in die Diele. Instinktiv krümmte John den Körper, rollte sich nach hinten ab.
Wie ein Fisch auf dem
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