GK0180 - Der schwarze Würger
schnell es seine alten Beine zuließen, rannte quer über den gepflegten Rasen, um den Weg zum Personaltrakt abzukürzen. Keuchend kam er dort an.
Lilly, ein Stubenmädchen, öffnete ihm die Tür. Sie erschrak, als sie den alten Butler ansah.
»Mein Gott, Henry, was ist denn mit Ihnen?«
Henry gab keine Antwort. Er schob die Frau zur Seite und lief in die Küchenräume.
Das Telefon stand in einer Nische auf einem kleinen Tisch.
Der Koch hatte Henry auch gesehen. Er schaute genauso verwundert wie Lilly.
Wie hieß denn dieser Oberinspektor noch, der vor einigen Stunden im Schloß war?
Henry biß sich die Lippen blutig. Der Mann hatte doch auch ihn gefragt. Er hatte zwar nur zwei Sätze mit ihm gewechselt, aber Henry hatte der Beamte sofort imponiert.
»Gibst du denn keine Antwort?« fragte der Koch, der näher gekommen war.
»Hör jetzt auf!« schrie Henry. »Ich muß die Polizei anrufen!« Der Koch wich zurück. So hatte der alte Diener ja noch nie gesprochen. Seltsam.
Endlich fiel Henry der Name des Oberinspektors ein.
Sinclair, hieß der Mann. Ja, Sinclair.
Mit zitternden Fingern wählte der alte Butler die Nummer von New Scotland Yard…
***
Mißtrauen flackerte plötzlich in Al Astors Blick. »Was habe ich denn mit Perry Clifton zu tun?«
»Genausoviel und genausowenig wie Jonny Reno«, entgegnete John, »und beide sind tot.«
Astor senkte den Blick. Nervös knetete er seine Hände. Sekundenlang stand die Wand des Schweigens zwischen den beiden Männern. Dann sagte der Nachtclubbesitzer: »Ich weiß. Und Sie suchen also bei mir den Mörder.«
»Nicht unbedingt.«
»Sondern?«
»Das Motiv.«
Astor schüttelte den Kopf. »Tut mir leid, Herr Oberinspektor. Das verstehe ich nicht.«
John Sinclair schlug die Beine übereinander. »Fangen wir mal von vorn an«, sagte er. »Sie haben doch mit Perry Clifton, Jonny Reno, Sean McCormick und Phil Diamont zusammengesteckt und waren, wie man heute so schön sagt, eine richtige Clique.«
»Wer hat Ihnen das denn erzählt? Etwa Dan Clifton?«
»Vielleicht.«
»Unsinn, Mann. Sicher, wir waren zusammen, wenigstens auf Feten. Aber sonst ging jeder seinen eigenen Weg. Beruflich hatten wir nichts gemeinsam.«
»Immerhin ist Sean McCormick Anwalt«, gab John zu bedenken.
»Was hat das denn mit uns zu tun? Gut, wir haben ihn manchmal um seinen Rat gefragt, aber das waren dann rein geschäftliche Beziehungen. Ich sehe keine Verbindung zwischen uns, die ein Motiv für einen Mord gegeben hätte.«
»Und doch muß es so sein.« John blieb bei seinem Standpunkt. »Wenn nur Jonny Reno umgebracht worden wäre, hätte man doch sagen können, Bandenkrieg auf dem Rauschgiftmarkt. Aber Perry Clifton? Was hatte er mit der Unterwelt zu tun?«
»Nichts.«
»Sehen Sie, Mister Astor. Außerdem ist vor wenigen Stunden der alte Clifton auch noch umgebracht worden.«
Die Worte schlugen ein wie eine Bombe.
»Nein!« ächzte Al Astor.
»Glauben Sie, ich belüge Sie?«
»O verdammt«, flüsterte der Nachtclubbesitzer und begann auf einmal zu schwitzen. »Jetzt verstehe ich gar nichts mehr.«
John Sinclair lächelte spöttisch. »Tun Sie nicht so, als hätten Sie von dem Mord noch nichts gewußt«, sagte John. »Sie sind ein sehr schlechter Schauspieler. In den Mittagsnachrichten ist bereits davon berichtet worden. Wenn Sie sie nicht gehört haben, dann vielleicht einer Ihrer Freunde.«
Astor stand auf. »Spielen wir mit offenen Karten, Oberinspektor. Ich habe von dem Mord gehört, das stimmt, und ich habe, zum Teufel noch mal, auch über ein Motiv nachgedacht. Verdammt, Sinclair, ich habe Angst. Verstehen Sie das?«
Astor hatte sich umgewandt und die Hände zu Fäusten geballt. »Die gleichen Schlüsse, die Sie gezogen haben… Ach, verdammt.« Der Nachtclubbesitzer winkte ab. Dann griff er plötzlich in die Rocktasche, holte die von Dan Clifton geschickte Einladung hervor und drückte sie John in die Hand.
»Lesen Sie, Oberinspektor. Und sagen Sie mir bitte Ihre Meinung.« John las den Text. Dann gab er die Karte zurück.
»Und?« fragte Astor.
»Ist Ihnen wirklich nicht klar, was diese Einladung bedeutet?« fragte Sinclair.
»Nun – ich…«
»Mann, das ist eine hundsgemeine Falle, Astor. Sie und McCormick…«
»Moment mal«, John unterbrach sich. »Haben die anderen beiden auch solche Einladungen bekommen?«
»Ich weiß es nur von Sean McCormick«, erwiderte der Nachtclubbesitzer. »Phil Diamont ist ja nicht da. Er ist heute morgen in die Staaten geflogen. Ich
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