GK0202 - Der Fluch der schwarzen Hand
lauschen. Er war schon in Schweiß gebadet. Die ›Arbeit‹ zerrte doch an seinen Nerven.
Einmal hörte er Stimmen. Männerstimmen. Die eine kannte er. Sie gehörte John Sinclair, dem Bullen.
Wenn der jetzt in die Küche kam…
Er kam nicht.
Und plötzlich schnappte auch das Schloß zurück. Dem Reporter fiel ein Stein vom Herzen.
Mit dem Handrücken wischte er sich den Schweiß von der Stirn. Er drückte die Klinke nach unten und schob sich durch die Türöffnung in das dahinter liegende Dunkel.
Nach einem Schritt blieb Jo sicherheitshalber stehen. Wie gut er daran getan hatte, sah er, als er die kleine Bleistiftlampe aufstrahlen ließ und den Boden vor sich anleuchtete.
Er stand auf einer Treppenstufe.
Ein Schritt weiter, und er wäre im Dunkeln die Treppe hinunter in die Tiefe gestürzt.
Glück muß der Mensch haben, dachte Jo und machte sich daran, in den Keller zu steigen.
Die Treppe war ziemlich lang, mit hohen Stufen und einem einfachen Eisenhandlauf.
Am Ende der Treppe fand Jo Brown sich in einem Weinkeller wieder.
Was dort in den hölzernen Regalen lagerte, das reichte aus, um eine ganze Kompanie betrunken zu machen. Die Flaschen waren nach Jahrgängen geordnet. Auf vielen lag eine dicke Staubschicht.
Jo stellte schon bald fest, daß er in einem riesigen Gewölbe gelandet war.
Eine hohe Decke, abgestützt durch dicke Säulen, und die wiederum waren mit Rundbögen verbunden.
Immer tiefer ging der Reporter in den Keller. Er erreichte das Ende der Regale und stand dann vor einer Wand, an der es feucht herablief. Jo Brown ließ den feinen Lampenstrahl nach links wandern und erkannte einige klobige Gegenstände, die durch Decken geschützt waren.
Wahrscheinlich Möbel, kombinierte der Reporter.
Aber von Ritchie Parson keine Spur.
Oder?
Jo Brown sah nicht den Arm, der aus einer Gasse zwischen zwei Weinregalen hervortauchte. Und er sah nicht die schwarze Hand, deren Finger zur Klaue gekrümmt war.
Ritchie Parson hatte den Eindringling schon lange bemerkt. Und er wußte auch, daß dieser Mann nicht zum Haus gehörte. Er war ein Fremder. Wenn er Ritchie entdeckte, dann war es aus.
Darum mußte der Mann sterben.
Für den lebenden Toten gab es gar keine andere Alternative.
Der ahnungslose Narr wandte Ritchie den Rücken zu. Er leuchtete mit seiner Minilampe das Gemäuer ab, ließ die Lampe kreisen, und der Strahl beschrieb helle Kurven.
Ritchie war nur noch drei Schritte von dem Reporter entfernt.
Das Totenhemd des Jungen schimmerte in der Dunkelheit. Das Gesicht war grausam verzogen, die Mörderhand zum tödlichen Griff bereit.
Wieder ging Ritchie einen Schritt vor.
Und Jo Brown merkte noch immer nichts.
Doch plötzlich versteifte er sich. Seine empfindliche Nase hatte einen bestimmten Geruch wahrgenommen. Den Geruch von Moder, Erde – und Friedhof.
In Jos Hirn schrillten die Alarmglocken.
Er warf sich herum.
Und starrte in Ritchie Parsons verzerrtes Gesicht.
Ein, zwei Herzschläge lang war Jo Brown völlig fassungslos. Obwohl er damit gerechnet hatte, den lebenden Toten zu finden, schockte ihn der Anblick doch.
Und diese Zeitspanne kam Ritchie zugute.
Er hob den Arm.
Im gleichen Augenblick stieß der Reporter einen gellenden Schrei aus, der aber einen Lidschlag später verstummte, als die schwarze Hand gnadenlos zupackte…
***
Nach der folgenschweren Antwort des Lords schwiegen die beiden Männer. Averell Parson hatte den Blick gesenkt und starrte auf seine Schuhspitzen.
John Sinclair kniff leicht die Augen zusammen. Seine Gesichtszüge hatten sich verhärtet.
Dann fragte der Oberinspektor: »Wo kann sich Ihr Sohn befinden?«
Lord Parson hob den Blick, sah John Sinclair an und zuckte die Schultern. »Ich weiß es nicht.« Der Lord legte eine kleine Sprechpause ein und wischte sich über die Stirn. »Vielleicht kann Ihnen meine Frau Auskunft geben, Herr Oberinspektor.«
John fixierte den Lord scharf. »Haben Sie irgendeinen Verdacht, Sir? Ist Ihnen etwas aufgefallen?«
»Nein, das nicht. Aber ich kann logisch denken. Meine Frau war die einzige Kontaktperson des Kindes. Zu mir hatte Ritchie kaum ein Verhältnis. Und es ist nur natürlich, daß Ritchie sich an sie wendet.«
»Aber Sie müssen doch etwas bemerkt haben«, sagte John Sinclair.
»Nein. Dank einiger Schlaftabletten habe ich in der letzten Nacht wirklich fast wie ein Toter geschlafen. Es tut mir leid, aber ich kann Ihnen da nicht helfen.«
»Und Ihr Diener?«
»James?« Der Lord lachte leise. »James schläft
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