GK0208 - Im Haus des Schreckens
das Gefühl, dicht vor einem neuen Fall zu stehen. Wieso das kam, wußte John selbst nicht zu sagen. Vielleicht war es der entsetzte Gesichtsausdruck des Mädchens gewesen. John hatte so etwas nicht zum erstenmal gesehen. Und immer waren es Personen gewesen, die dem Grauen persönlich gegenübergestanden hatten.
Der Geisterjäger reichte Jane die Decke. Sie faltete sie auseinander und breitete sie über die Bewußtlose.
John Sinclair setzte sich wieder hinter das Lenkrad. »Und wohin jetzt? Sollen wir sie in ein Krankenhaus bringen? Ich für meinen Teil wäre dagegen. Äußere Verletzungen sind ja nicht festzustellen.«
»Du witterst wieder einen Fall, wie?«
John erwiderte Janes Blick im Innenspiegel. »Ja«, sagte er. »Mein Gefühl sagt mir, daß das Mädchen einiges hinter sich hat, was für mich durchaus interessant werden könnte.«
»Das wäre möglich«, meinte Jane. »Okay, warten wir, bis sie wieder zu sich kommt.«
John fuhr den schweren Bentley ein Stück weiter. Nach ungefähr zweihundert Yards fand er eine Parklücke. Er stellte den Wagen genau zwischen zwei Bäume, drehte das Radio aus und schaltete dafür die Innenbeleuchtung ein.
Jetzt hieß es warten.
Allerdings nur fünf Minuten, da gab die Frau plötzlich ein qualvolles Stöhnen von sich.
»Sie wird wach«, sagte Jane Collins.
John Sinclair drehte sich um.
Flatternd hoben sich die Augenlider der Frau. In ihrem Blick spiegelten sich Verständnislosigkeit und Angst. Sie sah die fremden Gesichter, und ein Stöhnen drang aus ihrem halb offen stehenden Mund. Sie wollte sich aufsetzen, doch Jane Collins drückte sie wieder mit sanfter Gewalt zurück.
»Ruhig liegenbleiben«, sagte Jane Collins. »Sie sind in Sicherheit.«
»Aber ich…« Die Frau stemmte sich gegen Janes Griff, doch die Detektivin war stärker.
»Bitte«, sagte Jane. »Bleiben Sie ruhig.«
Die rothaarige Frau nickte, obwohl Jane das Gefühl hatte, daß sie ihre Worte gar nicht verstanden hatte. Starr blickten die Augen der Frau gegen den Wagenhimmel.
Jane Collins hob die Schultern. »Ich glaube, es hat keinen Zweck mit ihr«, sagte sie. »Sie wird hier nicht reden wollen.«
John nickte. »Dann fahren wir zu dir.«
»Das wird wohl am besten sein.« Der Geisterjäger startete den Bentley. Sanft rollte der Wagen an.
Erst jetzt kam ihnen ein Fahrzeug entgegen. Die Frau blieb auf der Fahrt in die Londoner City ruhig. Nur hin und wieder bewegten sich ihre Lippen wie im Selbstgespräch.
Jane wohnte, genau wie John Sinclair, in einem Apartmenthaus. Sie hatte ihre Wohnung schick eingerichtet, und ihre Sammelleidenschaft für moderne Graphiken dokumentierte sich an den Wänden des Living-rooms.
John und Jane mußten die Frau stützen, als sie zum Fahrstuhl gingen.
Dann rauschten sie hoch in die fünfte Etage. Jane Collins schloß die Wohnungstür auf.
Der Frau ging es jetzt etwas besser. Sie konnte sich schon allein auf den Beinen halten. John geleitete sie in den Living-room und legte sie dort auf eine Couch.
»Möchten Sie etwas trinken?« fragte er besorgt.
Die Frau nickte.
Jane Collins brachte ihr ein Glas mit Orangensaft.
Die Frau trank langsam und in kleinen Schlucken. Währenddessen beobachtete John sie.
Er schätzte sie auf höchstens dreiundzwanzig Jahre. Aber jetzt in ihrem Zustand sah sie bedeutend älter aus.
Ein freudloses Lächeln umspielte ihre Mundwinkel, als sie das Glas absetzte.
»Danke«, sagte die Frau.
Jane hatte sich neben sie auf die Couch gesetzt. Mit einer behutsamen Geste strich sie ihr die Haare aus der Stirn. »Wie heißen Sie?« fragte die Detektivin.
»Lydia Rankin.«
Jane lächelte. »Der Name paßt zu Ihnen. Ich heiße Jane Collins, und das ist John Sinclair. Sie haben Glück gehabt. Sie sind uns direkt vor den Wagen gelaufen.«
Lydias Augen wurden groß. »Vor den Wagen?«
»Ja.«
»Aber ich… wie komme ich dazu? Ich weiß nicht…«
»Wissen Sie nicht, was geschehen ist?« fragte Jane.
»Nein. Doch… ich meine… das Haus, mein Zimmer. Die Monster… sie waren auf einmal da. Der Sarg…«
John und Jane horchten auf. Lydia Rankin redete zwar unzusammenhängendes Zeug, aber die Begriffe Monster und Sarg kamen nicht von ungefähr. Sie mußte schon etwas damit zu tun gehabt haben.
Plötzlich bäumte sich die junge Frau auf. »Nein!!!« schrie sie. »Nein, nicht schon wieder! Sie kommen! Sie…«
John war sofort an der Couch. Er packte die Schultern der Frau mit beiden Händen und drückte Lydia wieder in das Kissen
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