GK072 - Die Feuerbestien
erzählen, was mit Schwester Sonia passiert war und dass Angie Scott spurlos verschwunden war.
Robert Hall lief mit der Schwester sofort in Angies Zimmer.
Offensichtlich hatte hier ein Kampf getobt. Das Nachthemd des Mädchens lag völlig zerfetzt auf dem Boden.
»Sie kann doch nicht nackt…«, überlegte er laut.
Da nun Sonia Archer nackt war, war anzunehmen, dass Angie Scott ihre Kleider trug.
»Großer Gott!«, presste Dr. Hall hervor, als ihm dieser Gedanke kam.
Angie Scott war vermutlich rückfällig geworden. Ihr Geist hatte sich neuerlich verwirrt. Und in ihrem Wahn musste sie losgezogen sein, um Schwester Sonia zu töten.
Aber war Angie nicht zu schwach gewesen, um der Krankenschwester das Genick zu brechen?
Erschüttert lief Dr. Robert Hall in sein Büro zurück.
Professor Selby hatte ihn gebeten, zu jeder Stunde – auch nachts – bei ihm anzurufen, wenn sich in Angie Scotts Befinden etwas veränderte. Nun, es hatte sich einiges verändert. Dr. Hall stand vor einem medizinischen Rätsel.
Er suchte den Zettel, auf den er Professor Selbys Nummer geschrieben hatte. Aufgeregt wählte er sie, als er das Blatt gefunden hatte.
Lance Selby meldete sich sofort.
»Dr. Hall!«, sagte der Arzt. »Ich bin froh, dass Sie noch nicht zu Bett gegangen sind, Professor Selby.«
»Was gibt’s, Doc?«, fragte Selby, und seine Stimme klang brüchig und atemlos.
»Ich fürchte, da ist etwas ganz Schlimmes mit Miss Angie Scott passiert, Professor.«
Selby erwähnte nichts von dem, was er gerade erlebt hatte.
»Was ist geschehen, Dr. Hall?«
»Es ist eine reine Vermutung, Professor!«, baute der Arzt vor.
»Okay. Und was vermuten Sie?«
»Es wird Aufgabe der Polizei sein, zu klären, ob meine Vermutung stimmt«, fügte Dr. Hall seinen Ausführungen hinzu. »Ebenso wird es Aufgabe der Polizei sein, das spurlos verschwundene Mädchen wiederzufinden. Man wird Angie Scott für das, was sie möglicherweise getan hat, nicht zur Verantwortung ziehen können. Aber man wird sie in eine geschlossene Anstalt überstellen, wenn man sie gefunden hat.«
Wenn! , dachte Lance Selby.
Aber man wird sie nicht mehr lebend finden, denn Angie Scott ist tot.
***
Nach Dr. Halls Anruf wählte Professor Selby meine Nummer.
Als bei uns das Telefon läutete, stand ich auf, um an den Apparat zu gehen. In diesem Moment fasste Vicky blitzschnell nach dem Griff des Tranchiermessers. Nun wollte sie Sarahs Willen tun.
Ich nahm den Hörer von der Gabel.
»Ballard!«
»Selby hier!«, kam es laut und deutlich aus der Leitung.
Vicky erhob sich. Ihr Gesicht nahm eine erschreckende teigige Farbe an. Da meine Freundin aber trachtete, hinter mich zu gelangen, wo ich sie nicht sehen konnte, fiel mir das nicht auf. Ich wollte von Selby wissen, was ihn veranlasste, um diese Zeit bei uns anzurufen.
Er sagte es mir.
Ich erschrak.
Gleichzeitig vernahm ich dicht hinter mir eine schnelle Bewegung. Vicky hatte – ohne dass ich es sehen konnte – schon das Messer zum Stoß hochgehoben.
Ich misstraute ihr nicht. Es war nur die schnelle Bewegung, die mich ein wenig irritierte. Ahnungslos wandte ich mich um.
Da traf mich beinahe der Schlag.
Mit hassverzerrtem Gesicht kam Vicky in diesem Augenblick auf mich zu. Ich sah das gefährliche Messer in ihrer Hand blitzen und ließ vor Schreck den Hörer fallen.
Was ich sah, konnte ich nicht begreifen.
Meine Vicky! Meine Freundin! Sie wollte mich töten!
***
»Tony!«, rief Professor Selby aufgeregt in die Membrane. »Tony! Ist alles in Ordnung?« Er hatte das Poltern des zu Boden fallenden Hörers gehört. Es waren so viele schreckliche Dinge geschehen, dass ihn jedes außergewöhnliche Geräusch in große Sorge versetzte. »Tony! Warum antworten Sie nicht?«
Er hörte ein Keuchen und Fauchen.
Sofort dachte er an Angie Scott. Vermutlich hatte sie sein Haus verlassen und war nun bei Ballard. Der Lärm, der aus dem Hörer kam, war eindeutig Kampflärm.
Egal, ob Ballard Hilfe brauchte oder nicht, er wollte nach drüben laufen und rettend einspringen. Vielleicht war es nicht nötig. Er hätte sich aber bittere Vorwürfe gemacht, wenn er hier geblieben wäre und Ballard den Kampf dort drüben allein hätte austragen lassen.
Blitzschnell legte er auf.
Dann hetzte er aus dem Haus.
Sein Amulett nahm er selbstverständlich mit.
***
Glück? Geschicklichkeit? Brillantes Reaktionsvermögen?
Ich wusste nicht, was mir das Leben gerettet hatte. Vermutlich hatte alles zusammengewirkt. Vor allem das
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