GK072 - Die Feuerbestien
Vickys Hand langsam zum Griff des Tranchiermessers vortastete. Es konnte mir nicht auffallen, weil sie es langsam und sehr geschickt anstellte.
Außerdem hatte ich keinen blassen Schimmer, was sie im Schilde führte.
***
Lance Selby verdankte sein Wissen einem einzigen hellen Moment.
Durch Zufall fielen ihm die rot glühende, kreiselnden Funken in Angie Scotts Augen auf. Sie war einen Moment unachtsam gewesen. Sarah hatte sich zu sicher gefühlt, hatte ihn für den Bruchteil einer Sekunde nicht unter Kontrolle gehabt. Sofort war das Misstrauen des Professors da gewesen. Er sah die Funken in Angies Augen und riss blitzschnell sein Hemd auf, damit sie das Amulett sehen konnte. Bis zu diesem Augenblick hatte sie die abstoßende Wirkung dieses ledernen Talismans nur gefühlt. Nun starrte sie entsetzt darauf.
Eine schreckliche Wandlung ging mit ihr vor. Sie war plötzlich nicht mehr das harmlose Mädchen, das liebenswerte Geschöpf.
Der Dämon leuchtete aus ihren toten Zügen.
Zwei Gedanken drängten sich in Selbys erhitzten Geist.
Entweder hatte Sarah bloß Angie Scotts Aussehen angenommen, oder Angie Scott war von den Frams ermordet worden.
Selbys Herz wollte bei diesem Gedanken zerbrechen.
Angie tot? O Gott, das durfte nicht sein!
Weit quollen in diesem Moment die rot glühenden Augen des Mädchens auf.
Angie sprang auf.
»Gott steh mir bei!«, schrie Lance Selby. »Gott steh mir bei!«
Angie fletschte die perlweißen regelmäßigen Zähne, fauchte feindselig, knurrte wütend und hechelte wie ein tollwütiger Hund.
Ihr hübsches Gesicht verzerrte sich zu einer unansehnlichen Dämonenfratze.
Ihre glühenden Augen waren starr auf das Amulett gerichtet, gegen das sie machtlos zu sein schien. Aber sie griff zu einer Finte.
Dunkelrot begannen ihre Augen zu leuchten. Selby spürte die Hitze, die sie ausstrahlten.
Ehe er die Absicht des unheimlichen Mädchens erkannte, war es schon passiert. Angies Blick hatte sich auf den Lederriemen konzentriert, an dem das Amulett hing. Im selben Moment fing der Riemen zu brennen an, als hätte man einen Laserstrahl auf ihn abgeschossen.
Professor Selby spürte einen stechenden Schmerz am Hals.
Dann riss der Riemen.
Der lederne Talisman fiel zu Boden.
Nun stieß Angie ein triumphierendes, schrilles Gelächter aus, das Selby durch Mark und Bein ging. Sie zögerte keine Sekunde länger, ihn anzugreifen, denn nun war er schutzlos.
Mit einem fürchterlichen Kreischen stürzte sie sich auf ihn.
Selby wich ihr erschrocken aus. Er wollte sich nach dem Amulett bücken, da traf ihn ihre Faust mit schrecklicher Gewalt im Kreuz. Er hatte das Gefühl, sein Rückgrat wäre gebrochen.
Ächzend brach er zusammen.
Hoch aufgerichtet stand das grausame Mädchen über ihm. Sie kicherte und lachte, amüsierte sich und weidete sich an den Schmerzen, die er litt.
Wie eine Katze mit der Maus spielt, so spielte Angie Scott, die Teufelin, mit Lance Selby, ihrem Opfer. Und wie die Katze die Maus, so würde auch sie ihr Opfer schließlich töten, wenn sie vom grausamen Spiel genug hatte.
Sie trat ihn mit den Füßen.
Es war verblüffend, über welche Kräfte dieses zart wirkende Mädchen verfügte.
Stöhnend, mit zusammengebissenen Zähnen, kämpfte sich Selby wieder hoch.
Angie Scott drosch ihm ihre Faust mit gnadenloser Härte ins Gesicht.
Er wurde von der Wucht des Schlages zurückgerissen, stieß zwei Stühle um, kippte über das Sofa hinweg und landete schwer angeschlagen dahinter auf dem Boden.
Blutend rappelte sich Lance Selby erneut hoch. Als das Mädchen das Blut aus seinem Mund sickern sah, stieß es ein irres, begeistertes Lachen aus.
Selby konnte die Wahrheit nicht begreifen.
Immer größer wurden die glühenden Augen des Mädchens. Faustgroß waren sie nun schon. Weit traten sie aus den Höhlen hervor und verliehen Angies Gesicht ein monsterhaftes Aussehen.
Genau das war Angie Scott. Ein Monster.
Ein Dämon, der gekommen war, um einen seiner erbittertsten und gefährlichsten Feinde zu vernichten.
Selby hatte das Gefühl, in seinem Schädel würden Flammen züngeln. Er hörte ein Ohren betäubendes Brausen. Sein Kopf wurde glühend heiß und schmerzte wahnsinnig. Er hatte große Mühe, sich auf den Beinen zu halten.
Hastig wischte er das Blut weg.
»Lass es!«, zischte das Mädchen. »Lass es doch! Ich liebe Blut!«
Sie kam fauchend heran.
Er wusste, dass er nur dann eine Chance hatte, zu überleben, wenn es ihm gelang, sich in den Besitz des Amuletts zu
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