GK083 - Der Henker aus dem Totenreich
zurück. Ich sagte noch, dass ich so bald wie möglich wiederkommen würde. Dann warf ich mich in meinen Buick Riviera und fuhr zur Plaza de Toros Monumental.
***
»Nummer vier!«, knurrte Capitano Pedro Delgado, während er missmutig auf den toten Franzosen starrte. »Das ist schlimm. Sehr schlimm.«
Sein Assistent stand nickend neben ihm.
Delgado war drahtig und schlank. Er war noch verhältnismäßig jung. Um zehn Jahre jünger sogar als sein Assistent. Sein Gesicht war von einem Schatten der Melancholie überdeckt. Während er seinen Männern bei der Arbeit zusah, zuckten hin und wieder seine Backenmuskeln.
Die Beamten hatten dem Toten die Garrotte abgenommen.
Pedro Delgado verlangte das Mordinstrument. Sein Assistent holte es und überreichte es ihm mit teigigem Gesicht.
»Sie fassen es nicht gern an, wie?«, fragte der Capitano.
»Ehrlich gesagt, es ekelt mich davor.«
»Haben Sie auch Angst vor dieser Garrotte?«
»Ein bisschen.«
»Brauchen Sie nicht zu haben – wenn Sie keinen Mord auf dem Gewissen haben.«
Der Assistent riss die kleinen Knopfaugen erschrocken auf.
»Señor Capitano!«, stöhnte er.
»Schon gut, mein Lieber. Schon gut. Ich wollte Sie nicht beleidigen.«
Der Assistent schluckte nervös. Dann sagte er: »Seltsam wie das mit diesen Garrotten zugeht. Sie sind auf einmal da. Und ihr Opfer kann sich nicht mehr gegen den Tod wehren.«
»Wie denken Sie über diese Sache?«, fragte Delgado.
»Ich weiß nicht…«
»Sie müssen sich darüber doch Gedanken gemacht haben!«
»Ja, schon. Aber… Das ist alles so mysteriös … Es gibt keinen echten Mörder. Es ist alles so unwirklich.«
»Die Toten sind aber doch wirklich genug.«
»Ich spreche von der Garrotte und von dem Mann, der sie bedient.«
Delgado schaute seinen Assistenten ernst an.
»Ach, es gibt Ihrer Meinung nach also einen Mann, der die Garrotten bedient.«
»Ja, Señor Capitano.«
»Ein solcher Mann wurde nie gesehen.«
»Trotzdem bin ich davon überzeugt, dass es ihn gibt.«
»Ein unsichtbarer Henker also?«
Der Assistent hob verzweifelt die Schultern.
»Was soll ich darauf sagen, Señor Capitano? Ich weiß, dass es das nicht geben kann und nicht geben darf. Ich weiß es als Kriminalist…«
Die Männer, die mit Pierre Mathieu am Verhandlungstisch gesessen hatten, wurden von Delgados Männern einzeln verhört. Auch der junge Mann, der den Franzosen ans Telefon geholt hatte, wurde vernommen.
»Sie nahmen also das Gespräch entgegen«, sagte der dicke Polizeibeamte zu ihm.
»Ja«, nickte dieser.
»Wer war am Apparat?«
»Ein Señor Ramon Peralta – wenn ich den Namen richtig verstanden habe.«
»Und was wollte dieser Ramon Peralta?«
»Er wünschte Monsieur Pierre Mathieu zu sprechen. Ich sagte ihm, das ginge im Moment nicht, weil Monsieur Mathieu in einer wichtigen Konferenz sei, doch der Mann meinte, die Sache wäre sehr wichtig für Mathieu. Deshalb ging ich ihn holen.«
»Und weiter?«
»Monsieur Mathieu ging zur Telefonzelle. Ich ging nicht mit ihm.«
»Warum nicht?«
»Erstens, weil er den Weg kannte, und zweitens, weil er es gewiss nicht gern gesehen hätte, wenn ich das Gespräch mitgehört hätte.«
»Der Anrufer war Spanier, nicht wahr?«
»Ja. Ramon Peralta. Das geht schon aus dem Namen hervor, denke ich.«
»Es war niemand mehr dran, als Mathieu sich den Hörer griff?«
»Nein. Ich hörte Mathieu immerzu ›Hallo‹, ›Hallo‹ rufen. ›Blöde Scherze‹ sagte er auch. Und dann… und dann …«
»Ja?«
Der junge Mann trocknete sich mit einem grünen Taschentuch den Schweiß von der Oberlippe.
»Und dann rief plötzlich eine donnernde Stimme Mathieus Namen.«
»Was war das für eine Stimme?«
»Ich weiß es nicht. Ich verlor fast den Verstand, als ich sie hörte. Ich konnte Mathieu nur undeutlich sehen. Es war nicht sehr hell im Korridor. Aber die Stimme hörte ich ganz deutlich.«
»Was sagte die Stimme?«
»Du bist des Mordes an Luis Manete überführt! Du hast Luis Manete, den Matador, mit Medikamenten betäubt und von einem Stier töten lassen, weil du ihn hasstest, Pierre Mathieu! Dafür wirst du nun den Tod erleiden! Das waren die Worte. Ich habe sie immer noch genau im Ohr.«
Der Polizeibeamte rundete das Bild mit einigen weiteren Fragen ab. Dann entließ er den jungen Mann. Er begab sich zu Capitano Delgado und erzählte ihm von dem Gespräch, das er soeben geführt hatte.
Dass es eine solche Stimme des Anklägers gab, war dem Capitano nicht neu. Kirsten Wolf hatte
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