GK099 - Das Bildnis des Samurai
hätte ich beinahe getan?«, fragte mich Peckinpah verstört.
»Hören Sie auf, darüber nachzugrübeln«, riet ich dem Mann. »Das führt zu nichts. Freuen Sie sich lieber darüber, dass Sie überlebt haben.«
»Sie haben leicht reden«, stöhnte Peckinpah.
Gar so leicht hatte ich gar nicht reden. Immerhin hatten mir Dämonen ein Schreiben zukommen lassen, wonach ich Japan nie mehr verlassen würde.
Und eine dieser Bestien hatte mir sogar schon eine Falle gestellt.
Hatte ich wirklich bloß leicht reden?
Ich ließ Peckinpah in diesem Glauben. Ich wollte ihm nicht auch noch meine Sorgen aufhalsen.
Plötzlich stand James Mey hinter mir.
»Sowas Ähnliches habe ich kürzlich schon mal erlebt«, sagte er heiser. »Nur war ich nicht so fix wie Sie, Tony. Sonst wäre Michiko Yamato noch am Leben.«
Ich verlangte, dass er mir mehr erzählte.
Er war froh, dass er alles bei mir loswerden konnte. Und ich war froh, dass ich alles erfuhr.
***
Erst nach Mitternacht wird es in Tokio ruhiger. Die Lokale schließen, die letzten Züge fahren aus der City in die weit ausgedehnten Vororte hinaus. Der Straßenverkehr verstummt.
Um sechs Uhr morgens ist diese vitale Stadt schon wieder auf den Beinen.
Ich war es um acht.
Nach einer elenden, fast schlaflosen Nacht.
Mir spukten all die Sachen im Kopf herum, die ich bereits erlebt hatte, obwohl ich noch nicht mal richtig in Tokio angekommen war.
Was sollte da noch auf mich zukommen?
Man sagt, dass das Frühstück dem Ausländer in Japan die meisten Schwierigkeiten bereitet.
Es beginnt mit einigen gesalzenen Pflaumen als eine Art Vorspeise, die man leicht in Zucker taucht und zu grünem Tee isst. Darauf folgen gewöhnlich Reis, eine Art Bohnensuppe, ein Ei, entweder roh oder gebraten, Meerlattich, Fisch, Pickles und Tee. Falls das Ei roh ist, verschlägt man es mit etwas Sojasoße und gießt es über den Reis.
Das war bei mir der Fall.
Mit vollem Bauch verabschiedete ich mich von Vicky und Mr. Silver.
Ich trug ihm auf, gut auf meine Freundin Acht zu geben, während ich mich auf den Weg zu Kommissar Kublai Nobunaga machte, dessen Namen ich von James Mey erfahren hatte.
Wenn man von einem der entzückenden Dachgärten der Warenhäuser an der Ginza auf die Stadt hinabblickt, erscheint einem Tokio wie ein riesiger, unübersehbarer Ameisenhaufen.
Eine von diesen Ameisen war an diesem sonnigen Vormittag ich.
Ein Taxi brachte mich zum Polizeipräsidium. Ein freundlicher Japaner in Zivil führte mich dann durch einen überlauten Taubenschlag, bis zu Nobunagas Büro.
Dort machte mein Führer eine Verbeugung und überließ mich meinem weiteren Schicksal.
Ich klopfte.
Der Kommissar sagte etwas! Vielleicht hieß es: »Herein!«
Da ich kaum Japanisch spreche, trat ich einfach ein.
»O-hayo gozaimas - Guten Morgen«, sagte ich.
Er lächelte.
»Amerikaner?«
»Nein. Engländer.«
»Sprechen Sie japanisch?«
»Ich dachte, das wäre vorhin japanisch gewesen.«
»War es, Mister. Wenn auch schwer erkennbar.«
»Wie gut, dass Sie nicht ebenso gut englisch sprechen«, gab ich lächelnd zurück.
»Was führt Sie zu mir?«, fragte der Kommissar und lud mich mit einer Handbewegung zum Sitzen ein.
»Mein Name ist Ballard«, sagte ich. »Tony Ballard.«
»Was kann ich für Sie tun, Mr. Ballard?«
»Ich wohne im Hilton.«
»Ach so«, sagte er und nickte, als wusste er nun schon, worauf ich hinaus wollte.
Aber ich bewies ihm, dass er es noch nicht wusste. Erst als ich es ihm gesagt hatte, wusste er Bescheid.
Seine Miene veränderte sich kaum. Trotzdem bemerkte ich, dass er erregt war. Er spielte mit einem Kugelschreiber.
»Sie sind also Privatdetektiv, Mr. Ballard«, sagte Nobunaga. »Und Sie möchten das Geheimnis, das über einem verübten und einem in letzter Sekunde verhinderten Harakiri zu lasten scheint, lüften.«
»So ist es exakt, Kommissar«, sagte ich ernst. »Deshalb mein erster Weg zu ihnen.«
»Das ist sehr vernünftig, Mr. Ballard.«
»James Mey hat mir dazu geraten.«
»Mey? - O ja, der Amerikaner.«
»Was haben Sie im Fall Michiko Yamato inzwischen unternommen, Kommissar?«
»Ich habe versucht, den Weg, den Michiko an ihrem Todestag gegangen war, zurückzuverfolgen«, erwiderte Nobunaga.
»Erfolg gehabt?«, fragte ich.
»Mehr oder weniger.«
»Wo war das Mädchen, bevor es Selbstmord beging?«
»Sie war mit einem amerikanischen Starkstromingenieur namens Abraham Jacobs zusammen. Der Mann befindet sich zu Studienzwecken in unserem Land.«
»Was
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