GK102 - Die Rückkehr des Samurai
siehst aus, als würdest du noch heute Nacht sterben!«
»Danke für das Kompliment!«, ächzte Tiffany.
»Dir ist nicht gut, wie?«
»Sieht man das denn nicht?«
»Doch. Warum gehst du nicht nach Hause?«
»Ich habe bis jetzt gehofft, dass es besser wird.«
»Wird es?«
»Nein.«
»Dann geh doch heim. Soll ich mit dem Boss reden?«
»Denkst du, ich könnte das nicht selbst?«
»Ich will es dir bloß abnehmen«, erwiderte Daphne Remick, eine rothaarige Irländerin mit einem kleinen Bauch, schwellenden Hüften und etwas zu festen Oberarmen.
»Du bist wirklich lieb, Daphne«, seufzte Tiffany mit von Übelkeit verzerrter Miene. »Ich denke, zu Hause kann ich wirklich mehr für meine Gesundheit tun als hier. Du hast recht. Was ich brauche, ist Ruhe. Geh zum Boss. Ich warte hier auf dich.«
»Lauf aber nicht weg!«
Daphne verschwand. Zehn Minuten später kam sie wieder.
»War ein harter Kampf!«, lachte sie.
»Dieser Geizkragen. Er dachte wohl, ich spiele Theater.«
»Dem ist schon so viel untergekommen. Er ist eben vorsichtig. Man muss ihn verstehen.«
»Kann ich gehen?«
»Natürlich. Wenn Daphne Remick etwas in die Hand nimmt, klappt das.«
Tiffany Segal erhob sich schwerfällig.
»Wie eine steinalte Frau komme ich mir vor.«
»Du wirst schon wieder.«
Tiffany schüttelte den Kopf.
»Dieser verdammte Geizkragen.«
»Lass ihn doch. Wir haben erreicht, was wir wollten.«
»Ja, du hast recht. Danke für alles.«
»Mach, dass du jetzt nach Hause kommst. Wir sehen morgen weiter.«
Die meisten Mädchen verließen den Klub durch die Hintertür. Das war sozusagen der Personalausgang.
Auch Tiffany Segal ging diesen Weg.
Als sie in die schmale finstere Straße trat, schauderte sie unwillkürlich.
Sie musste an den grauenvollen Mord denken, der hier verübt worden war.
Die Abendluft tat ihr gut. Sie erholte sich ein wenig.
***
Jacobs stieß seinen Dämonenbruder an.
»Was sagst du dazu?«, zischte er aufgeregt. »Ist das nicht genau das, was wir haben wollen? Sie ist so blutjung wie die andere, die ich mir hier geholt habe. Komm, Bruder. Wir werden sie gemeinsam töten. Das ist ein Opfer nach meinem Geschmack!«
Yew Ratnam nickte eifrig. »Ich habe solchen Hunger.«
»Gleich!«, grinste Jacobs. »Gleich wirst du weiches warmes Fleisch fühlen, Bruder, in das du deine scharfen Krallen senken kannst.«
Sie huschten durch die Finsternis.
Hastig eilten sie hinter dem ahnungslosen Mädchen her.
Und während sie liefen, verwandelten sie sich zu jenen Schauergestalten, in deren Person sie Tiffany Segal grausam töten wollten…
***
Tiffany hörte sie kommen. Unruhig wandte sie sich um.
Als sie das blitzende Schwert des Samurai sah, wusste sie, woran sie war.
Das war der Kerl, der das andere Taxigirl so bestialisch ermordet hatte.
Er würde auch sie zerstückeln und verstümmeln und sie grausam töten.
Vergessen waren die körperliche Schwäche, die quälende Übelkeit.
Die namenlose Angst ließ ihren Beinen Flügel wachsen.
Sie lief, so schnell sie konnte, und sie konnte zum Glück sehr schnell laufen. Sie betrieb in ihrer Freizeit sehr viel Sport. Das kam ihr nun zugute.
Vielleicht würde ihr das sogar das Leben retten.
Als sie das Ende der finsteren Straße erreichte, lagen noch sieben Meter zwischen ihr und den beiden Monstern.
Der Wertiger fauchte und knurrte wütend.
Das trieb das Mädchen zu noch größerer Eile an. Sie holte alles aus ihrem jungen Körper, was in ihm steckte.
Trotzdem holten die Bestien auf.
Zwei Straßen weiter stand das Haus, in dem Tiffany Segal wohnte.
Sie sprang hinein und warf die Tür keuchend hinter sich zu.
Dann hetzte sie die Stufen in den zweiten Stock hinauf.
Atemlos erreichte sie ihre Wohnung. Die Dämonen stampften soeben die restlichen Stufen herauf.
Tiffany warf einen entsetzten Blick zurück. Ihr Herz krampfte sich schmerzhaft zusammen, als sie den Wertiger sah.
Etwas Scheußlicheres hatte sie in ihrem ganzen Leben noch nicht gesehen.
Der Tiger hatte sein hungriges Maul weit aufgerissen.
Ein mörderisches Feuer loderte in seinen gelben Augen.
Mit zitternden Fingern hatte das Mädchen den Schlüssel ins Schloss geschoben.
Sie hatte gefürchtet, es nicht mehr zu schaffen, hatte den Schlüssel blitzschnell herumgedreht, war in die Wohnung gesprungen und hatte die Tür ganz schnell hinter sich zugeworfen.
Hier riss sie nun schluchzend zwei eiserne Riegel vor. Dann federte sie von der Tür weg. Beide Fäuste presste sie an die zuckenden
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