GK175 - Dämonenhochzeit
Bootshaus gab. Wenn der Kassierer das Mädchen irgendwo verstecken wollte, gab es gewiß keine bessere Möglichkeit als dort. Jedenfalls erschien es dem Horror-Comics-Verleger ratsam, sich dort mal gründlich umzusehen.
Er machte sich aber nicht unbewaffnet auf den Weg. Eine Signalpistole steckte in seinem Hosenbund. Damit hatte er schon mal eine gute Erfahrung gemacht. Deshalb hatte er sich gleich heute morgen eine besorgt. Und eine ganze Schachtel Leuchtraketen dazu.
Die Straße wurde schmal. Rechts standen mehrere Mahagonibäume beisammen. Dazwischen gab es undurchdringliches Dickicht. Kurz vor dem Bootshaus verließ Thinnes seinen Mercedes. Die Natur um ihn herum lebte. Und es war nichts Feindseliges in diesen Geräuschen. Mit schnellen Schritten näherte sich Thinnes dem verwitterten Gebäude, das hart am Wasser stand.
Plötzlich bemerkte er zwei Gestalten. Ein Mädchen und ein Mann. Vicky Bonney und Roy Bancroft? Sofort begann Thinnes zu laufen. Er konnte nicht verstehen, wieso Vicky einfach neben Bancroft ging, als wäre dies die selbstverständlichste Sache von der Welt. Warum versuchte sie nicht wegzurennen? Warum blieb sie bei diesem Mann, der sie anscheinend in der vergangenen Nacht gekidnappt hatte?
Gig Thinnes legte Tempo zu. Vicky Bonney und Roy Bancroft überquerten den Strand. Sie erreichten das Wasser und blieben stehen, als warteten sie auf jemanden. Augenblicke später erkannte Thinnes ein schwarzes Floß, das träge heranschaukelte. Niemand befand sich auf den Bambusstämmen. An einem Mast flatterte eine Standarte. Thinnes nahm sich nicht die Zeit, alle diese Eindrücke gründlich zu überlegen. Er wollte Vicky Bonney zu Hilfe eilen. Tief in seinem Inneren glaubte er zu wissen, was es mit diesem unheimlichen, führerlosen Floß auf sich hatte, und er wußte mit einemmal ganz genau, daß Vicky dieses Floß nicht besteigen durfte, sonst war sie verloren.
Mit großer Schnelligkeit riß Thinnes die Pistole aus seinem Hosenbund. Dann watete er durch den weichen Sand.
Bancroft legte Vicky die Hand auf den Rücken. Ein sanfter Druck sagte ihr, daß sie sich auf das Floß zu begeben hatte. Willenlos setzte sich das blonde Mädchen in Bewegung.
»Vicky!« brüllte Thinnes, als er das sah. »Vicky! Bleiben Sie stehen!«
Aber Vicky ging weiter.
»Vicky!« schrie Thinnes noch einmal. Das Mädchen schien ihn nicht zu hören.
Bancroft hatte sie rechtzeitig in Trance versetzt. Sie konnte nur noch das tun, was ihr Ximbarro durch seinen Diener übermittelte.
»Vicky!« brüllte Gig Thinnes, so laut er konnte.
Roy Bancroft fuhr mit einem wütenden Knurrlaut herum. Sein Aussehen veränderte sich blitzartig. Thinnes ließ sich von Ximbarros Ebenbild jedoch nicht einschüchtern. Mit schußbereiter Waffe stürmte er weiter. »Vicky! Halt! Gehen Sie nicht auf dieses Floß!«
Bancroft rannte dem Verleger entgegen. Seine Augen glühten. Er wollte Thinnes nicht bloß aufhalten. Er wollte ihn vernichten. Thinnes zielte auf die Brust des Dämonensklaven. Keuchend stand er dem Blaßgesichtigen einen Lidschlag lang gegenüber. Vicky stand bereits auf dem Floß. Thinnes verlor die Nerven, als er das sah.
»Aus dem Weg!« schrie er dem Dämonendiener ins Gesicht.
»Ich werde dich töten!« fauchte Ximbarros Ebenbild. Mit ausgestreckten Armen flog er Thinnes entgegen. Vicky legte sich freiwillig auf das schwarze Floß. Thinnes sah das und drückte ab. Die fauchende Rakete bohrte sich in Bancrofts Leib. Sie stoppte den Angriff des Doppelwesens. Das unheimliche Floß entfernte sich vom Ufer. Thinnes standen vor Schreck die Haare zu Berge.
»Vicky!« schrie er, so laut er konnte. Aber Vicky lag auf den Bambusstäben, als wäre sie tot und aufgebahrt.
Bancroft stieß ein dumpfes Gurgeln aus. Er brach in die Knie. Rauch sickerte aus seinen Nasenlöchern. Thinnes schlug einen Haken um den Sterbenden. Bancroft wollte sich trotz der Todesnähe noch auf ihn werfen und ihn mit sich in die Hölle hinabreißen, doch das gierige Feuer der Leuchtrakete fraß sein Inneres rasend schnell auf. Einige Herzschläge später bestand Bancroft nur noch aus einer dünnen Hülle. Sie bekam Risse, schrumpfte zusammen, zerfiel zu Staub. Jetzt begriff Thinnes, warum man Burgess Durning nicht gefunden hatte. Mit vibrierenden Nerven rannte er bis zum Wasser. Er bildete mit den Händen einen Trichter vor dem Mund. Das schwarze Floß fuhr immer weiter in die Nacht hinein.
»Vicky!« schrie Thinnes, und er legte alle Kraft in diesen Schrei.
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