GK178 - Das Haus der Verdammten
kaufte ich so nach und nach auf. Es sind alte Häuser. Sie werden abgerissen. Es ist das beste, was man mit ihnen machen kann.«
»Und was passiert mit den Leuten, die in diesen Häusern wohnen?« erkundigte ich mich.
»Die kriegen von mir herrliche Wohnungen im Grünen«, antwortete Nelson Wise lächelnd.
»Vermutlich am Stadtrand«, sagte ich.
»Allerdings.«
»Erwarten Sie keine Schwierigkeiten?« fragte ich. »Ich könnte mir vorstellen, daß nicht jedermann mit einer solchen Umsiedlung einverstanden ist.«
Wise lachte. »Ich bitte Sie, Mr. Ballard. Die Leute sind froh, aus ihren alten Löchern rauszukommen. Wir haben mit der Umsiedlung vor einem Jahr begonnen. Bisher ging alles klaglos vor sich. Einige Häuser sind schon niedergerissen. Die Grundmauern der neuen Gebäude stehen bereits. Einer der Rohbauten hat schon eine Höhe von zwölf Stockwerken. Schwierigkeiten? Es gibt keine, Mr. Ballard. Die Leute sind mit uns sehr zufrieden.«
»Manche Menschen hängen gerade an alten schäbigen Dingen«, hielt ich dagegen.
»Nicht in diesem Fall. Überlegen Sie doch. In diesen alten Häusern gibt es so gut wie keinen Wohnkomfort. Ich biete diesen Mietern aber helle, freundliche Wohnungen mit Bad und WC, mit Lift im Treppenhaus, mit Grünflächen vor den Fenstern. Jeder, der das ablehnt, muß verrückt sein. Ich habe bis zum heutigen Tag alle zufriedengestellt. Nur in einem Fall bin ich noch auf der Suche nach einer vernünftigen Lösung. Es gibt da in der Coronet Street eine kleine Familienpension. Sie gehört dem Ehepaar Dysart, zwei vernünftige, einsichtige Leute, die nichts anderes möchten, als in ein anderes Haus umzusteigen, wo sie ihren Pensionsbetrieb fortführen können. Leider fand sich bis zum heutigen Tag noch nicht das passende Gebäude. Aber ich bin sicher, daß sich auch dieses Problem in den nächsten Tagen aus der Welt schaffen lassen wird.«
An jenem Abend war ich der Meinung, in dieser Hinsicht könnten keine Schwierigkeiten zu erwarten sein. Wise war ein tüchtiger Mann, der offenbar immer erreichte, was er wollte.
Doch diesmal sollte ihm der Erfolg untreu werden…
***
Es wurde immer schlimmer mit William Atherton. Er war Gebrauchsgraphiker von Beruf, und er hatte vor wenigen Jahren einen guten Namen in der Branche gehabt. Sogar Ausstellungen mit seinen Arbeiten wurden veranstaltet. Aber dann hatte er eine schicksalsschwere Begegnung mit dem Rauschgift. Vorbei war es mit den gut dotierten Aufträgen. Vorbei war es mit den ruhigen Händen. Heute konnte er kaum noch den Zeichenstift ruhig halten, wenn er dieses Teufelszeug nicht in den Adern hatte. An manchen Tagen heulte er wie ein kleiner unglücklicher Junge, und er wollte sich das Leben nehmen. Aber dazu reichte sein Mut niemals aus. Und so griff er wieder zur Spritze, um auf diese kostspielige, langwierige Weise Selbstmord zu begehen.
Hin und wieder verschaffte ihm ein Freund von früher einen kleinen Job unter der Hand. Manchmal durfte er für jemanden Schilder malen. Sie wurden von Mal zu Mal mieser. Bald würden auch diese Aufträge versiegen.
Nur selten gab es für Atherton einen bescheidenen Geldregen. Davon bezahlte er dann die zumeist rückständige Miete bei Ina Dysart, und für den Rest deckte er sich mit Heroinbriefchen ein, die von Woche zu Woche im Preis stiegen. Wo sollte das noch mal hinführen? Atherton hatte Angst davor, daß er eines Tages einen Mord begehen würde, um das Geld für den nächsten Schuß zusammenzukriegen.
Grau war sein Gesicht. Dicke Tränensäcke hingen unter seinen blutunterlaufenen Augen. Seine Kleider waren schäbig. Er hatte kein Geld für neue Sachen. Jeder Shilling, den er erübrigen konnte, wanderte auf direktem Weg zum Dealer. Ein teuflisches Leben, das Atherton zu führen gezwungen war. Gern wäre er umgekehrt auf diesem abschüssigen, glitschigen Weg, der schnurstracks ins Unheil führte, aber er hatte nicht die Kraft dazu.
Der Dealer hieß Relier. Ein Name, den man von vorn und von hinten lesen konnte, wobei immer dasselbe herauskam.
Relier war ein baumlanger Bursche mit blondem Haar und einer Seele, die so schwarz war, daß sich der Teufel jetzt schon die Finger danach leckte.
Er wohnte in einer schwimmenden Hütte, die auf der Themse verankert war.
Atherton stellte den Kragen seiner schwarzen Jacke auf. Er stakste über den wippenden Brettersteg und stand dann vor der Eingangstür des Hausboots. Relier hatte ihn kommen gesehen, deshalb klopfte Atherton nicht an die Tür, sondern
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