GK178 - Das Haus der Verdammten
eilte den Korridor entlang und erreichte wenig später das Zimmer des Bereitschaftsarztes.
»Dr. Balgey! Dr. Balgey!«
Nick Balgey, ein Endvierziger mit feinnervigen Händen und einem auffallend freundlichen Gesicht, legte das Buch weg, in dem er gelesen hatte, und erhob sich.
»Was gibt’s denn, Schwester Lorie?«
»Der Patient von Nummer 14…«
»Oliver Blenford?«
»Ja. Er phantasiert.«
Balgey staunte. »Der Mann ist doch Hingst über dem Berg. Soll morgen entlassen werden.«
»Er schreit schreckliche Dinge. Sie müssen sich das anhören. Seine Stirn ist heiß wie eine Herdplatte. Sie müssen Blenford sofort untersuchen.«
»Okay«, nickte Balgey. Er griff nach seinem Stethoskop. »Kommen Sie, Schwester. Wir werden den Mann mal ernsthaft unter die Lupe nehmen. Immerhin ist er gesund, zumindest ergab das die letzte Untersuchung.«
Blitze und Donner wechselten in ganz kurzen Abständen. Dr. Balgey rümpfte die Nase, während er mit Lorie Karnak zu Nummer 14 unterwegs war. »Ein Sauwetter ist das. Hoffentlich hört es bald auf. In einer Stunde kann ich nach Hause gehen… ich möchte nicht schwimmen müssen.«
Schon von weitem horten sie Blenfords Geschrei.
Plötzlich bebte der Boden unter ihren Füßen. Lorie erschrak. Sie fuhr sich bestürzt an die Lippen. Dr. Balgey lachte. »Haben Sie auch Angst vor so einem Gewitter? Die meisten Mädchen fürchten sich davor.«
»Dieses Beben!« stieß Lorie verwirrt hervor. »Das wurde nicht vom Gewitter hervorgerufen, Dr. Balgey.«
»Natürlich wurde es das«, sagte der Arzt lachend. »Wodurch sollte es denn sonst hervorgerufen worden sein?«
Die Krankenschwester zuckte nervös die Achseln. »Ich… ich weiß es nicht, Dr. Balgey.«
Vier Schritte waren sie noch von Zimmer 14 entfernt.
»Blenford schreit nicht mehr!« stellte das Mädchen bestürzt fest.
»Vielleicht ist er soeben draufgekommen, daß ihm gar nichts fehlt«, witzelte der Arzt. Er erreichte die Tür. Lorie blieb wie angewurzelt stehen. Ihre schönen Augen weiteten sich. »Sagen Sie, was haben Sie denn, Lorie?«
»Ich weiß es nicht, Dr. Balgey. Ich… kann es nicht erklären. Angst ist es. Ja. Angst.«
»Angst?« fragte Nick Balgey erstaunt. »Wovor haben Sie denn Angst? Vor dem Gewitter?«
»Nicht vor dem Gewitter«, sagte das Mädchen und schüttelte hastig den Kopf. »Vor diesem Raum…, in dem Blenford liegt.«
»Nun machen Sie aber einen Punkt, Schwcster Lorie. Es ist ein Zimmer wie alle anderen.«
»Er hat so schreckliche Dinge gerufen.«
»Was zum Beispiel?«
»Er hat geschrien, der Teufel soll ihm sein Leben nehmen… Und vorhin hat der Boden unter uns gebebt…« Balgey ladite. »Jetzt verstehe ich. Sie denken, der Teufel wäre tatsächlich zu Blenford gekommen.«
»Er schreit nicht mehr.«
»Vermutlich ist ihm die Puste ausgegangen.«
»Wenn Sie erlauben, werde ich hier auf dem Gang auf Sie warten, Dr. Balgey.«
Der Arzt zuckte die Achseln. »Wie Sie wollen.« Er öffnete die Tür und trat in das Krankenzimmer. Zunächst stieg ihm ein penetranter Schwefelgestank in die Nase. Und dann traf ihn der Schock wie ein Keulenschlag. Steif und stumm lag Oliver Blenford im Bett. Gleichzeitig aber stand er daneben. Ein spöttisches Grinsen verzerrte sein hageres Gesicht. Neben dem stehenden Blenford stand eine grauenerregende Person. Balgey hatte gedacht, sie würde lediglich in der Phantasie der Menschen existieren- zotteliges Fell, flammende Augen, kurze stumpfe Hörner auf dem häßlichen Schädel, ein peitschender Schwanz und ein stampfender Pferdefuß. Für einen kurzen Moment zweifelte Nick Balgey allen Ernstes an seinem Verstand. Wie konnte er — ein nüchterner Mediziner — so haarsträubende Dinge sehen? Dinge, die es nicht gab! Die es nicht geben durfte! Die ein Schlag in das Gesicht der Vernunft waren! Was war der Grund für diese haarsträubende Halluzination?
Als Balgey den Schock überwunden hatte, ging er auf Blenford und seinen zotteligen Kumpan zu.
Da flimmerte mit einemmal die Luft vor Balgeys Augen, und die schaurige Vision wurde trübe, durchsichtig und zerfiel schließlich vollends.
Benommen wandte sich der Arzt dem Patienten zu. Nick Balgey beugte sich über den Mann und stellte mit einem kurzen Blick fest, daß Oliver Blenford tot war.
***
Wenn im Mittelalter ein Mädchen rotes Haar gehabt hatte, war es von vornherein als Hexe abgestempelt worden. Heute ist das anders. Manche Männer finden gerade rotes Haar besonders attraktiv, fühlen sich davon auf
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