GK187 - Der Geisterberg
größte Massengrab der Welt ist. Wissen Sie, wie die Leute hierzulande dazu sagen?«
»Nein.«
»Sie nennen es den Totenberg von Lae.« Kabajashi schüttelte langsam den Kopf. »Manchmal denke ich: Was muß mein Vater bis zu seinem Tode in diesem Berg mitgemacht haben. Grauenvolle Szenen müssen sich in diesem Berg abgespielt haben. Man kann es sich nicht vorstellen.«
Ich nickte. »Ich glaube, das kann man sich wirklich nicht ausmalen.«
Wir erreichten den Felsenfriedhof. Wir waren beide etwas außer Atem, denn wir waren den steilen Pfad ziemlich flott entlanggeschritten. Ich blieb stehen und ließ die unheimliche Szene auf mich einwirken. Zeno Kabajashi stand reglos neben mir. Ich hörte seinen schweren Atem. Geisterhaft tauchte der silberhelle Mond die Leichenkörbe in ein fahles Licht. Unbeweglich hingen die mumifizierten Toten in den engen Astgabeln.
Ich näherte mich dem unheimlichen Felsengrab. Die Toten schienen mich zu ignorieren. Zeno Kabajashi blieb hinter mir. Vielleicht verließ ihn angesichts dieser zum Teil recht verwitterter Leichen nun doch der Mut.
Zwei Leichenkörbe waren leer. Die anderen waren alle besetzt. Starr hingen uns die Gliedmaßen der Toten entgegen. Ich versuchte am glatten Felsen hochzuklettern, mußte mich an der dicken Stange, die den Korb trug, festhalten, drückte und schob mich bis zu dem ersten Leichnam, den ich testen wollte, hoch.
»Kann ich Ihnen irgendwie helfen, Mr. Ballard?« flüsterte Kabajashi hilfsbereit. Seine Stimme vibrierte leicht. Ein Zeichen, daß ihm hier nicht ganz geheuer war. Ich gebe zu, auch mir gefiel diese gespenstische Szene nicht. Etwas Kaltes kroch über meine Wirbelsäule. Wind kam auf. Er heulte und jammerte in der Felswand.
»Stützen Sie mein linkes Bein!« verlangte ich von Kabajashi, da ich am Felsen immer wieder abglitt.
Er stemmte sich sofort mit der Schulter dagegen. Das war der erste feste Halt, den ich hatte. Kabajashi drückte mich ächzend nach oben. Ich ballte die Faust und näherte mich mit meinem magischen Ring dem zur ewigen Ruhe gebetteten Toten.
Je näher ich meinen schwarzen Stein an den Leichnam heranbrachte, desto mehr spannten sich meine Züge, denn wenn sich magische Kräfte in dieser häßlichen Mumie befanden, dann mußten sie sich nun zeigen. So etwas konnte mitunter blitzschnell geschehen. Ich war jederzeit gewärtig, daß der Tote sich urplötzlich auf mich stürzte.
Aber nichts passierte.
Der Leichnam regte sich nicht. Nicht einmal dann, als ich seinen harten, ledernen Körper mit meinem magischen Ring berührte. Keinerlei Reaktion. Ich war erstaunt, denn das hatte ich nicht erwartet. Nach allem, was ich über diese seltsamen Toten wußte, hatte für mich festgestanden, daß sich eine dämonische Macht ihrer bemächtigt haben mußte. Aber das war nicht der Fall. Mein magischer Ring hätte dieses Geheimnis gelüftet. Er hätte die übernatürlichen Kräfte zu einer Reaktion herausgefordert.
Verwundert sprang ich von Kabajashis Schulter.
»Nun?« fragte mich der Japaner mit großen Augen.
»In diesem Toten wohnt keine magische Kraft.« Ich konnte mich hundertprozentig auf meinen Ring verlassen, deshalb behauptete ich das so bestimmt.
»Sind Sie sicher?« fragte Zeno erstaunt.
»Absolut sicher.«
»Was machen wir nun?«
»Wir sehen uns die anderen Leichen an.«
Auch diese Tests verliefen negativ. Hier waren keine dämonischen Kräfte im Spiel. Das war mir unverständlich. Ich dachte an Ella Gauss und an das, was sie mir in der Hypnose erzählt hatte. Ich dachte an Jack Lambeth, dem jemand mit großer Kraft das Genick gebrochen hatte. Für mich stand fest, daß diesen Mord einer dieser Toten begangen hatte. Zwei von ihnen hatten das Felsengrab verlassen. Wie konnten sie das, wenn nicht das Böse sie zu neuem Leben erweckt hatte?
Der Wind zerzauste mein Haar. Ich stand nachdenklich am Fuße des unheimlichsten Friedhofes der Welt und ärgerte mich vor allem darüber, daß ich so verdammt ratlos war. Ich überlegte, ob ich diese Toten irgendwie herausfordern sollte, kam von diesem Gedanken aber gleich wieder ab. Es stand mir nicht zu, ihre letzte Ruhe zu stören.
»Kehren wir wieder um?« fragte mich Zeno Kabajashi.
Ich schüttelte entschieden den Kopf.
»Nein?« fragte er mich verwundert.
»Nein.«
»Was machen wir dann?«
»Wir suchen uns ein hübsches Plätzchen für die Nacht und bleiben in der Nähe dieser Mumien.«
»Was versprechen Sie sich davon, Mr. Ballard?«
Ich hob die Schultern. »Ehrlich
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