GK225 - Die Puppen mit den Todeskrallen
keine Gedanken gemacht. Zumeist war ohnehin falsch, was er dachte. Was immer er sich zusammenreimte, Gladstone schob es jedesmal achtlos beiseite und brachte seine Version aufs Tapet, die dann – das mußte der Sergeant leider zugeben – fast immer den Nagel auf den Kopf traf.
Stevens betrachtete seine Schuhspitzen. »Wenn ich Ihnen sagte, daß ich derselben Meinung wie unser Doc bin, Sam…«
»….dann wären Sie meiner Ansicht nach auf dem Holzweg, mein Lieber«, fiel Gladstone dem Sergeanten mit väterlich-belehrendem Ton ins Wort.
Stevens dachte: Na bitte. Da haben wir’s ja schon wieder. Er hat bereits eine Theorie. Und von der geht er so lange nicht ab, bis er entweder selbst draufgekommen ist, daß sie falsch ist – oder bis ihm jemand Fakten bringt, die ihn überzeugen, daß er mit seiner gefaßten Ansicht schiefliegt.
Aber das sollte erst mal einer schaffen… Sam Gladstone davon zu überzeugen, daß er sich geirrt hatte.
»Wie sehen Sie die Sache, Sam?« erkundigte sich Stevens neugierig. Die beiden Polizeibeamten verkehrten nicht nur dienstlich miteinander. Sie kamen auch hin und wieder privat zu einem kleinen Schwätzchen zusammen. Stevens wohnte mit seiner Schwester in einem kleinen Haus, und Gladstone mochte die rundliche Frau. Dennoch hatte Stevens noch nicht den Mut aufgebracht, dem Inspektor vorzuschlagen, zum vertraulicheren Du überzugehen, und von Sam war ein solcher Vorschlag wohl in absehbarer Zeit nicht zu erwarten. Darin war er ein bißchen komisch.
»Ich kann mir nicht vorstellen, daß das Herz den alten Ross umgebracht hat«, sagte Gladstone nachdenklich.
»Weshalb nicht?« fragte Stevens erstaunt.
»Er liegt hier im Wald…«
»Das Herz kann doch überall streiken.«
»Er muß in der Nacht in den Wald gegangen sein. Das wirft die meiner Ansicht nach berechtigte Frage auf: Was hatte Norton Ross in der Nacht im Wald zu suchen?«
»Gott, das kann viele Gründe gehabt haben…«
Gladstone zog die Oberlippe zwischen die Zähne. »Und das Gewehr?«
Der Sergeant kratzte sich hinter dem Ohr. Verdammt ja. Das Gewehr. Wie hatte er das übersehen können.
Der Inspektor sagte in schulmeisterlichem Ton: »Das Gewehr beweist, daß Norton Ross sich bedroht fühlte.«
Telly Stevens warf ein: »Vielleicht hat er die Flinte bloß mitgenommen, um sich sicherer zu fühlen. Es war Nacht, als er sein Blockhaus verließ, und in der Nacht beschleichen einen manchmal komische Ängste…«
Sam ließ diesen Einwand nicht gelten. Er schüttelte heftig den Kopf. »Sie kannten Ross so gut wie ich. Hatte der jemals vor etwas Angst?«
Der Sergeant scharrte mit dem Fuß über den weichen Waldboden. »Worauf wollen Sie hinaus, Sam? Denken Sie etwa, Ross könnte einem Verbrechen zum Opfer gefallen sein?«
»Das ist die Kernfrage«, sagte der Inspektor mit zusammengezogenen Brauen. »War es ein Verbrechen? Wenn ja, wurde es gut eingefädelt. Und dazu müssen wir uns die nächste wichtige Frage stellen: Wem würde ein solches Verbrechen nützen?«
»Nur Brian Capone!« sagte plötzlich Frank Galatea schneidend hinter dem Inspektor. Leslie Nicholson kam auch näher. Er hatte die Hände in den Taschen und konnte den Kopf nicht von dem Toten wenden.
Der Inspektor drehte sich halb um.
Galatea nickte mit grimmiger Miene. »Sie wissen doch, daß Capone an Ross’ Sägewerk interessiert ist. Jedermann in dieser Gegend weiß, daß Capone kein harmloses weißes Schaf ist. Der Bursche hat es faustdick hinter den Ohren!«
Gladstone hob warnend die Hand. »Vorsicht, Mr. Galatea. Verplappern Sie sich nicht. Sie dürfen nichts über Capone sagen, was Sie nicht beweisen können, sonst kann er Sie deswegen belangen… Sie wollen doch nicht, daß er Ihnen eine Beleidigungsklage oder eine Klage wegen Rufschädigung an den Hals hängt.«
Frank lachte bitter. »Das kann doch wohl nur ein Witz sein, Inspektor. Capones Ruf kann doch gar keiner mehr schädigen. Jedermann weiß doch, was für ein Mistkerl das ist…«
»Ich muß Sie trotzdem bitten, Ihre Zunge im Zaum zu halten!« sagte der Inspektor nun scharf.
Frank sah ihn daraufhin verblüfft an. »He, Inspektor, Sie stehen doch nicht etwa hinter diesem… diesem …«
»Ich stehe hinter niemandem!« versetzte Gladstone eisig. »Ich gebe zu, daß ich als Privatperson meine eigene Meinung habe, daß ich diese aber während der Ausübung meines Dienstes zu vergessen versuche. Deshalb muß ich Sie noch einmal eindringlich ersuchen, über Mr. Capone nur das zu sagen,
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