GK291 - Satan hinter Gittern
erstenmal aus dem Häuschen. Er befürchtet, daß nun sein Thron wackelt. Es gibt bereits eine kleine Zahl von Häftlingen, denen die Art, wie du mit Sunters’ Gorilla umgesprungen bist, sehr imponiert. Du hast dir damit eine Menge Sympathien erworben. Auch bei mir.«
»Das freut mich, Mr. Moody.«
»Vielleicht hat Barney Sunters endlich den Dämpfer gekriegt, der ihm lange schon gebührt hätte. Er wird sich künftighin vermutlich etwas zahmer geben. Vielleicht wird er auch versuchen, sich mit dir zu arrangieren.«
»Er wird bei mir abblitzen.«
»Schön«, sagte Bernard Moody grinsend. Er rieb sich erfreut die Hände. »Sehr schön, Ballard. Das gönne ich ihm. Es ist ein wahrer Glücksfall, daß du zu uns gekommen bist.«
Ich nahm ein Buch über Südamerika aus dem Regal und blätterte darin. Während ich mir die Farbbilder ansah, sagte ich ganz nebenbei: »Ich habe gehört, daß in der jüngsten Vergangenheit zwei Häftlinge gestorben sind, Mr. Moody…«
»Ja? Und?« Der Oberaufseher lehnte sich gegen das Regal.
»Ron Ritchie und Tim Shakespeare, der hier drinnen von fast allen ›der Dichter‹ genannt wurde.«
»So haben sie geheißen.«
»Woran sind sie gestorben?« erkundigte ich mich, während ich das Buch zuklappte und an seinen Platz zurückstellte.
Bernard Moodys Augen verengten sich. »Warum willst du das wissen?«
»Wenn ihnen das Essen nicht bekommen sein sollte, weiß ich, worauf ich aufpassen muß.«
»Die Anstaltsküche ist hervorragend. Woran Ritchie und Shakespeare gestorben sind, ist noch ungeklärt.«
»Hat man sie nicht obduziert?«
»Das weiß ich nicht. Sie wurden tot in ihrem Bett gefunden und fortgeschafft. Was weiter mit ihnen geschah, entzieht sich meiner Kenntnis.«
Ich grinste und sagte: »Die beiden haben euch ein Schnippchen geschlagen, was? Mal sehen. Vielleicht mache ich es genauso.«
***
Tim Shakespeare eilte durch den Regent’s Park. Vor einer Stunde war er zum zweiten Leben erwacht. Es war ein böses, grausames Leben, das ihn nun erfüllte. Er hatte die Hölle im Leib. Sein Herz stand still. In seiner Brust war keine Seele mehr, die hatte ihm der Dämon gewaltsam entrissen, um sie ins Schattenreich zu werfen, vor die Füße von Asmodis, dem Fürsten der Finsternis.
Tim Shakespeare fühlte sich nunmehr dem Höllenheer zugehörig. Jenem schrecklichen Volk, das das Licht haßte und Angst und Schrecken auf der Welt verbreitete.
Tim Shakespeare war zur gnadenlosen Bestie geworden. Kein Mensch stand ihm mehr nahe, denn seine Interessen waren auf ein unheilvolles Niveau abgeglitten.
Er kannte nur noch ein Ziel: zu töten. Denn er brauchte menschliche Energien, um sein unseliges Leben erhalten zu können.
Das Kichern eines Mädchen ließ ihn zusammenfahren. Mit einem raschen Sprung erreichte er eine Hecke, hinter der er sich verbarg.
Eigentlich hatte er die Absicht gehabt, seinen Freund Hal Eagle aufzusuchen. Bei Hals Wohnung war Tim Shakespeare bereits gewesen. Aber der Freund - es war Shakespeares einziger Freund - hatte nicht geöffnet.
Aus Erfahrung wußte Tim Shakespeare, daß Hal, wenn er nicht zu Hause war, fast immer im Krankenhaus Dienst hatte. Und zu jenem Krankenhaus, in dem Hal Eagle seit zehn Jahren als Helfer tätig war, war der Untote gerade unterwegs gewesen…
Doch nun hatte er das Kichern eines Mädchens vernommen. Er verwarf seinen Plan sofort, als ersten Hal Eagle zu töten, und wartete auf das Mädchen, das hier gleich erscheinen würde.
Sie stolperte auf hochhackigen Pumps durch die Dunkelheit. Ihre lange Fuchsjacke hüllte sie wohlig warm ein. Sie hatte den weichen Kragen aufgestellt und war allein.
Allein!
Tim Shakespeare zog sich weiter hinter das Gebüsch zurück. Das Mädchen kicherte abermals. Sie schien betrunken zu sein. Und glücklich, denn sie drehte sich plötzlich mehrmals um die eigene Achse und machte einige Tanzschritte, während sie eine bekannte Melodie dazu summte.
Shakespeare gierte nach der überschäumenden Energie dieses Mädchens. Er konnte den Augenblick kaum mehr erwarten, wo er sich auf sie stürzen und sie töten würde.
Sie sollte sein erstes Opfer sein, diese rothaarige, bildhübsche Hexe, die so übermütig war.
Der Tod würde sie wie ein Blitzstrahl aus heiterem Himmel treffen. Ohne Mitleid wollte Tim Shakespeare zuschlagen.
Und anschließend wollte er sich um Hal Eagle kümmern…
Das Mädchen blieb stehen. Sechs Yards war sie von Tim Shakespeare entfernt.
Der Zombie duckte sich. Er hob die Hände.
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