GK307 - Der Ghoul von Mallorca
anzurufen und ihr mitzuteilen, was ihrem Seat zugestoßen war.
Die fünf Kilometer bis zum nächsten Haus legten wir in einer knappen Stunde zurück. Das Gebäude war flach, im maurischen Stil errichtet und hatte weiß getünchte Mauern, die das Mondlicht hell reflektierten.
Neben dem Haus stand ein Jeep. Es brannte nirgendwo im Gebäude Licht. Kein Wunder. Anständige Menschen schlafen um diese Zeit.
Ich wußte, daß es unverschämt war, zu klopfen, aber wie hätten mein Freund und ich nach El Arenal zurückkommen sollen?
Meine Schläge hallten durch das Gebäude. Wir warteten auf eine Reaktion. Als nichts passierte, sagte Mr. Silver: »Klopf noch einmal, Tony. Aber diesmal etwas kräftiger, sonst muß ich…«
»Du lieber nicht«, gab ich zurück. »Du bist so ungestüm, daß du wahrscheinlich die Tür zertrümmern würdest.«
Ich brauchte kein weiteres Mal zu klopfen. Im Haus flammte plötzlich Licht auf. Dann näherten sich der Tür schlurfende Schritte.
Augenblicke später sahen wir uns einem Mann im knöchellangen Nachthemd mit Zipfelmütze gegenüber. Ich hatte bis zu dieser Nacht geglaubt, solche Typen gehörtén der Vergangenheit an.
Doch nun wurde ich eines Besseren belehrt. Es gab sie immer noch. Der Mann war klein und hatte rabenschwarze Augenbrauen.
Er sah uns mißtrauisch und ärgerlich an. Ich versuchte, ihn mit einem freundlichen Lächeln zu entwaffnen und für mich zu gewinnen.
»Verzeihen Sie die Störung«, sagte ich auf spanisch. »Unser Wagen hat eine Panne - und bis El Arenal ist es zu weit, um zu Fuß zu gehen. Hätten Sie die Güte, uns mit Ihrem Jeep dorthin zu fahren?«
»Kommt nicht in Frage!« schnauzte der Kleine mich an. »Sie sind wohl nicht ganz bei Trost! Wissen Sie, wie spät es ist?«
»Leider ja.«
»Eine Frechheit ist das!«
»Sie brauchten das selbstverständlich nicht umsonst zu tun. Ich wäre bereit, Ihnen dafür eintausend Pesetas zu bezahlen.«
»Ich pfeife auf Ihr Geld!«
»Zweitausend?«
»Scheren Sie sich zum Teufel! Versuchen Sie’s bei jemand anders!«
»Dreitausend Pesetas.«
»Nicht für alles Geld dieser Welt…!«
Ich erhöhte auf fünftausend Pesetas. Der Spanier blieb bei seinem Nein. Sein Schlaf schien unbezahlbar zu sein.
Ich resignierte und zuckte mit den Schultern. Plötzlich ging mit dem Mann eine verblüffende und für mich ganz und gar unverständliche Veränderung vor. Seine Aggressivität löste sich von einer Sekunde zur anderen auf.
Er gab die Tür frei und ließ uns eintreten. Er bat uns, ein wenig zu warten, er müsse sich nur schnell etwas anziehen, und verschwand.
Ich blickte Mr. Silver verwirrt an und fragte: »Sag mal, was ist denn auf einmal mit ihm los? Verstehst du das?«
Der Ex-Dämon nickte grinsend. »Ich schon.«
Da fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Mr. Silver hatte den Spanier hypnotisiert.
Ich schüttelte vorwurfsvoll den Kopf. »Das hättest du nicht tun dürfen, Silver. Wenn er uns nicht freiwillig helfen will…«
»Möchtest du lieber zu Fuß nach El Arenal laufen? Er wird nach seiner Rückkehr wieder ins Bett gehen und nicht wissen, daß er uns nach El Arenal gefahren hat. Wenn es dein Gewissen beruhigt, kannst du ihm ja die angebotenen fünftausend Pesetas überlassen, dann hat der Mann nicht nur keinen Schaden, sondern auch noch einen Nutzen.«
Der Spanier tauchte wieder auf.
Wir verließen mit ihm das Haus und setzten uns in seinen Jeep. Ich schob ihm das zugesagte Geld in die Jackettasche, und er brachte uns bis zu unserem Hotel.
Sobald wir ausgestiegen waren, wendete er sein Fahrzeug und fuhr wieder nach Hause. Ich hätte es aber trotzdem lieber gesehen, wenn er uns freiwillig geholfen hätte.
Als Mr. Silver und ich auf den Hoteleingang zuschritten, stutzte ich plötzlich. Mein Freund merkte es und blieb neben mir stehen.
Ich hatte eine erstaunliche Entdeckung gemacht: auf dem Hotelparkplatz stand… unser Peugeot 504 TI!
Als wäre er in dieser Nacht niemals fort gewesen!
Wir eilten zu dem Fahrzeug. Es war leer. Ich öffnete den Kofferraumdeckel. Leer. Von Lance Selby keine Spur.
Der Ghoul spielte ein lästerliches Spiel mit uns. Er verhöhnte uns. Ich nahm den Zündschlüssel, der im Schloß steckte, an mich und betrat mit Mr. Silver anschließend das Hotel.
Wir versäumten nicht, einen Blick in Lances Zimmer zu werfen. Er war nicht da. Unser Freund befand sich nach wie vor in der Gewalt des Dämons.
Das gefiel mir absolut nicht - aber im Augenblick konnten wir nichts dagegen
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