GK388 - Der Blutrichter
Vielleicht hatte uns gerade das besonders fest zusammengeschmiedet.
»Wir haben uns erst kürzlich in Venedig mit einem Dämon, der sich der schwarze Satan nannte, herumgeschlagen«, sagte ich.
»Harter Job?« wollte Lance Selby wissen. »Ziemlich«, gab ich zurück.
»Die Hölle wird nie damit aufhören, immer neue Vorstöße in unsere Welt zu unternehmen«, sagte Lance grimmig.
Ich war mir der Tatsache bewußt – wie auch meine Freunde –, daß wir immer nur die Spitze eines Eisberges zerstören konnten, und uns war allen klar, daß unser Kampf niemals enden würde.
Vicky schüttelte ihre blonde Mähne zurück und fragte: »Habt ihr Hunger? Möchtet ihr etwas essen?«
»Mach dir keine Umstände«, sagte Lance.
»Ich bringe einfach, was ich habe«, sagte meine Freundin. »Und wer möchte, der nimmt sich davon.«
»Bring nicht zuviel«, sagte ich grinsend. »Silver muß auf seine Linie achten.«
»Stimmt überhaupt nicht«, maulte der Ex-Dämon. »Ich habe stets mein Idealgewicht.«
Vicky brachte Käse, Wurst, Weißbrot, Tomaten, Radieschen – und was sie sonst noch alles im Kühlschrank gefunden hatte. Und siehe da, nachdem der Mensch bekanntlich auch mit den Augen ißt, langten wir schon bald alle tüchtig zu, obwohl zunächst keiner den Anfang machen wollte.
Mr. Silver war mal wieder extrem gefräßig.
Er war schon ein sonderbarer Kauz. Da er kein Mensch war, konnte man ihn niemals mit menschlichen Maßstäben messen. Dennoch tat ich es immer wieder. Ein Fehler, den ich mir wohl nicht so schnell würde abgewöhnen können.
Der Ex-Dämon hätte wochenlang ohne Nahrung auskommen können ohne deshalb entkräftet darniederzuliegen. Er aß nicht, um seine Kräfte mit neuer Energie zu versorgen, sondern nur deshalb, weil es ihm schmeckte.
Die Energie bezog er von woanders. Aus einer Dimension, die jenseits unserer Erde lag. Zur Zeit war er gewissermaßen im Aufbau begriffen.
Als ich ihn – es hatte mich damals ins 12. Jahrhundert verschlagen – kennenlernte, war er zum Tode verurteilt gewesen, weil er sich geweigert hatte, nach den grausamen Gesetzen der Hölle zu leben.
Es war mir damals gelungen, ihm das Leben zu retten. Seither waren wir beisammen, und wir hatten schon so manche Fehde mit den Mächten der Finsternis ausgefochten.
Wir standen ganz oben auf der Abschußliste aller Dämonen.
Einer unserer erbittertsten Feinde war Rufus, der Dämon mit den vielen Gesichtern. Immer wieder lief er uns über den Weg. Immer wieder versuchte er, uns zu kriegen.
Damals, als ich Mr. Silver mit ins 20. Jahrhundert brachte, hatte der Ex-Dämon seine übernatürlichen Fähigkeiten nicht mehr voll entfalten können. Aber sie hatten ihn manchmal in Streßsituationen überrascht. Er hat sich ihrer ganz plötzlich für kurze Zeit bedienen können. Doch kurz danach waren sie wieder verschüttet gewesen.
Es hatte diesbezüglich ein ständiges Auf und Ab gegeben.
Und eben jetzt war Mr. Silver wieder einmal bei einem neuen Auf angelangt. Wir hofften alle, daß es recht lange anhielt, denn in diesen Phasen war der Hüne mit den Silberhaaren im Kampf gegen die Abgesandten der Hölle besonders brauchbar.
Nachdem wir alle satt waren, trug Vicky Bonney die Reste in die Küche.
Ich schob mir ein Lakritzenbonbon zwischen die Zähne. An Stelle einer Verdauungszigarette, denn ich bin Nichtraucher.
Lance blickte auf seine Uhr. »Gott, so spät schon.«
»Versäumst du was?« fragte ich ihn. »Es wird langsam Zeit, zu Bett zu gehen. Ich habe in den letzten Wochen immer zu wenig Schlaf gekriegt. Das hängt mir noch nach.«
»Kannst du nicht morgen bis weit in den Vormittag hinein schlafen?«
»Das habe ich sowieso vor.«
Ich blickte Mr. Silver an. »Hast du gehört? Das bedeutet für dich, daß du die Stereoanlage nicht so brüllen lassen darfst wie gewöhnlich.«
»Er kann sich ja Gummipfropfen in die Ohren stecken«, sagte der Ex-Dämon grinsend.
»Ein feiner Freund bist du«, sagte ich mit gespieltem Vorwurf. Und zu Lance: »Keine Sorge. Ich verstecke alle LPs und Kassetten. Dann kann er auf dem Kamm blasen.«
»Aber laut!« polterte Mr. Silver und lachte.
Vicky kehrte aus der Küche zurück. Lance erhob sich. »Dann will ich eure Gastfreundschaft nicht mehr länger strapazieren.«
»Blödsinn«, sagte ich. »Du bist hier immer gern gesehen, Lance.«
»War ein netter Abend.«
»Den wir so bald wie möglich wiederholen werden«, sagte ich. »An mir soll’s nicht liegen.«
»An mir erst recht nicht«, meinte
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