GK442 - Der Drachenmann
sah keine Chance mehr, zur Oberfläche zurückzukehren.
Schreckliche Sekunden waren das.
Herrgott noch mal, wie oft hatte mein Leben schon an einem seidenen Faden gehangen, und zu guter Letzt hatte ich es doch immer gerade noch irgendwie geschafft.
Aber diesmal…
Die vielen Abenteuer, die mir die Mächte der Finsternis beschert hatten, rasten an meinem geistigen Auge vorbei. Ich sah Monsterfratzen, Dämonen, Zwerge, Ungeheuer. Gegen all das hatte ich schon gekämpft - und war Sieger geblieben, doch nun schien es mit dem Siegen aus zu sein.
Die Namen meiner Feinde fielen mir ein. Sie würden sich ins Fäustchen lachen, wenn sie von meinem Ende erfuhren. Rufus, Phorkys - und natürlieh auch Atax, die Seele des Teufels…
Ein Wirbel entstand in meinem Kopf, ich konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen. Der Moment, wo ich den Mund aufreißen mußte, und sich die klebrige rote Flüssigkeit in meinen Hals stürzen würde, war fast da.
Da packte mich plötzlich die harte Silberhand meines Freundes.
Oft schon fragte man mich, wer im Kampf gegen Geister und Dämonen meine stärkste Waffe ist, und ich antwortete stets: »Mr. Silver!«
Ohne diesen Ex-Dämon, dessen übernatürliche Fähigkeiten die Wesen aus dem Schattenreich oft zum Verzweifeln brachten, wäre ich schon lange nicht mehr unter den Lebenden.
Mr. Silver war mein achtsamer Schutzengel.
Er holte mich immer wieder aus der Klemme, wachte über mich wie über sein Augenlicht.
Jetzt ergriff mich die zweite Silverhand.
Wir flitzten nach oben und durchstießen in der für mich allerletzten Sekunde die Oberfläche. Der rote Saft rann mir über die Augen und das Gesicht. Ich öffnete weit meinen Mund und pumpte gierig Sauerstoff in meine Lungen.
Wenn Mr. Silver mich nicht festgehalten hätte, wäre ich gleich wieder abgesoffen. Die Flüssigkeit wollte keinen Menschen tragen. Den Ex-Dämon hingegen trug sie, obwohl er wesentlich schwerer war als ich. Er schwamm wie ein Korken neben mir.
»Halt dich an mir fest, Tony«, keuchte der Hüne mit den Silberhaaren. Auch über sein Gesicht rann die rote Brühe.
Ich klammerte mich an ihn.
Er wollte mit mir das Becken verlassen. Von den gelben Drachen konnte ich im Moment keinen einzigen sehen. Das mußte aber nicht unbedingt bedeuten, daß sie nicht mehr da waren.
Sie konnten irgendwo auf der Lauer liegen und warten, bis unsere Köpfe aus dem Bassin auftauchten.
Ich hörte hinter mir ein Summen und drehte mich um.
Mein Herz übersprang einen Schlag!
Eine Stahlplatte schob sich über das Becken. Drei Viertel des Bassins waren bereits geschlossen, und je näher die Abdeckplatte kam, desto schneller schien sie sich zu bewegen.
»Silver!« stieß ich aufgeregt hervor.
Auch mein Freund wandte den Kopf.
»Verdammt!« zischte er.
Die Stahlplatte war schon über mir. Ein schwarzer Schatten fiel auf mich, und dieser Schatten deckte gleich auch Mr. Silver zu. Der Ex-Dämon stieß sich mit kräftigen Beinbewegungen vorwärts, ohne mich loszulassen. Mit einer Hand hielt er mich fest, damit ich nicht wieder in der roten Suppe versank. Die andere ballte er zur Faust und stieß sie nach oben.
Dadurch verhinderte er, daß sich der Stahldeckel über uns ganz schloß.
Es war, wie wenn jemand den Fuß zwischen die Tür stellt.
Zwischen Beckenrand und Abdeckplatte klemmte Mr. Silvers Hand fest. Ein Spalt blieb offen. Aber sehr viel war für uns meiner Ansicht nach nicht gewonnen.
***
Da hing ich nun an meinem Freund wie ein Klammeraffe. Hätte ich ihn losgelassen, wäre ich sofort wieder auf Tauchstation gegangen. Über mir war dieser schmale Spalt, durch den ich einen Blick in die Freiheit werfen konnte, war aber gefangen.
Nichts weiter passierte.
Die gelben Drachen schienen sich fürs erste damit zufrieden zu geben, daß wir festsaßen und nicht mehr ausrücken konnten. Ich fragte mich, was sie mit uns in der weiteren Folge vorhatten.
Daß sie uns ungeschoren davonkommen lassen würden, konnte ich mir beim besten Willen nicht vorstellen.
»Mist!« knurrte Mr. Silver, dessen Faust nach wie vor eingeklemmt war.
»Kannst du laut sagen«, meinte ich.
»Ich habe den Eindruck, sie sind nicht mehr hier.«
»Die versuchen uns bestimmt nur zu täuschen. Fürs erste haben sie uns sicher. Ich nehme an, nun beraten sie, wie es mit uns weitergehen soll. Kannst du mir zufällig verraten, worin wir baden?«
»Ich bin sicher, es ist Drachenblut. Hast du den Götzen gesehen?«
»Klar. Ist es sein Blut?«
»Vielleicht. Ich
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