GK442 - Der Drachenmann
Drachenblut gebadet hätten«, meinte Mr. Silver. »Ich könnte mir vorstellen, daß Saxon der Meinung war, wir wären verloren, als wir uns beide im Bassin befanden. Möglicherweise hätte uns das Blut zersetzt. Du warst ja schon nahe daran, in ihm zugrunde zu gehen.«
»Erzähl davon bitte nichts Vicky. Du weißt, wie sehr sie so etwas immer hernimmt.«
Der Ex-Dämon nickte.
Ich hatte noch eine Frage auf Lager: »Wenn Saxon damit rechnete, uns fertiggemacht zu haben, warum rückte er dann mit seinen Freunden und sogar mit dem Götzen aus?«
»Vielleicht ist es falsch, anzunehmen, daß sie ausgerückt sind«, erwiderte der Hüne. »Wir waren für sie erledigt, und sie wandten sich anderen Dingen zu, die noch zu erledigen waren.«
Meine Wangenmuskeln zuckten. »Ich möchte Saxon wiederbegegnen, Silver!«
»Ich auch. Wir statten ihm gleich morgen einen Besuch ab. Er wird vor Freude an die Decke springen.«
»Das ganz bestimmt«, sagte ich und schloß meinen Peugeot auf, den wir inzwischen erreicht hatten. Ich wollte dem Frieden immer noch nicht so recht trauen. Erst als ich im Wagen saß und einige hundert Yards gefahren war, glaubte ich, nichts mehr befürchten zu müssen.
Für mich stand fest, daß die gelben Drachen einen Schlupfwinkel hatten, und das war nicht der Keller in Leigh Saxons Haus. Ich weiß nicht, woher ich diese Gewißheit nahm. Sie war einfach da, und mir war klar, daß Mr. Silver und ich diesen Schlupfwinkel finden mußten.
***
Hector Bose erwachte aus einer tiefen Ohnmacht. Verdattert blickte er sich um. Er lag in seinem Keller. Es dauerte eine Weile, bis er begriff, wieso. Sofort klopfte sein Herz schneller, und sein Mund trocknete aus. Erschrocken stand er auf. Ein Dämon war in seinem Haus gewesen. Rufus. Hector Bose blickte sich um. Von Rufus war nichts mehr zu sehen. Der Dämon mit den vielen Gesichtern schien das Haus längst verlassen zu haben.
Bose leckte sich die Lippen.
Obwohl Rufus nicht mehr da war, glaubte Hector Bose, noch die Nähe des Dämons zu spüren. Er schritt die feuchten Stufen hinauf. Sein Blick war nicht mehr friedfertig, sondern heimtückisch und mißtrauisch. Er war nicht mehr derselbe wie vor kurzem noch. Er hatte sich verändert. Die Knochenhände des Dämons schienen immer noch auf seinem Kopf zu ruhen.
Er trat vor einen Spiegel und betrachtete sich darin. Nein, Hände lagen keine mehr auf seinem Kopf. Er fühlte das nur so.
Sein Gesicht hatte einen harten, gemeinen Ausdruck angenommen. Härte füllte auch seine Seele aus. Aber er vermochte sich sehr gut zu verstellen. Er konnte ein Lächeln auf sein Antlitz zaubern, das die Gemeinheit vertuschte, die sich in ihm verbarg.
Er bleckte die Zähne. »Du sollst von nun an nicht Hector Bose, sondern Hector Böse heißen, mein Junge.«
Er lachte schallend.
Und plötzlich fiel ihm ein, daß er ab sofort Verpflichtungen hatte, denen er nachkommen mußte. Alles war für ihn klar und durchsichtig. Er kannte seine Aufgaben, wußte, was von ihm erwartet wurde, und er zögerte nicht, die erforderlichen Schritte zu unternehmen.
Rasch verließ er sein Haus.
Ein Freund hatte ihm seinen alten Zweitwagen geliehen. In diesen stieg Hector Bose und verließ London in nördlicher Richtung. Obwohl er sein Ziel noch nicht kannte, wußte er, wie er fahren mußte.
Sobald die Stadt hinter ihm lag, fuhr Bose schneller. Eine brennende Ungeduld erfaßte ihn. Er gab noch mehr Gas. Die Gegend wurde hügelig und waldreich. Bose bog zweimal links ab und fuhr schließlich einen unbefestigten Weg entlang.
Gleich bist du am Ziel, sagte ihm eine innere Stimme.
Der Weg schlängelte sich durch einen finsteren Föhrenwald und endete vor einer arg zerfallenen Burg. Nur noch wenige Mauerfragmente ragten auf. Wind und Wetter hatten dem alten Bauwerk sehr zugesetzt. Unheimlich ragte die Ruine auf. Doch Hector Bose hatte keine Angst davor. Er wußte, daß er hier erwartet wurde und daß er nichts zu befürchten hatte.
Nachdem er seinen Wagen gestoppt hatte, stieg er aus. Die Tür ächzte.
Bose warf sie zu.
Der Wind rauschte in den schwarzen Föhren. Irgendwo schrie ein Käuzchen. Äste knackten in der Dunkelheit. Hector Bose stand furchtlos neben dem Fahrzeug und ließ die Umgebung, soweit sie zu sehen war, auf sich einwirken. Seltsamerweise hatte er das Gefühl, schon einmal hier gewesen zu sein.
Zwischen zwei verwitterten Pfeilern wölbte sich ein Torbogen. Darauf ging Hector Bose zu. Er schritt unter dem Bogen hindurch. Der Boden war
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