GK449 - Die Bruderschaft der Hölle
Waffe, mit der man dem Schuppenmonster gefährlich werden konnte, stand dem Gangster nicht zur Verfügung.
Verstört ließ Vegas die Luger sinken.
»Nein!« preßte er heiser hervor. »Bleib mir vom Leib, du Biest! Hörst du? Verschwinde! Laß mich in Ruhe!«
Der Gangster wich Schritt um Schritt zurück. In seinem Kopf überstürzten sich die Gedanken. Sollte er lauthals um Hilfe brüllen? Hatte das einen Zweck? Würden die Nachbarn es hören und Hilfe schicken? Vegas war bei seinen Nachbarn nicht gerade beliebt. Immerhin war er ein Mitglied der Londoner Unterwelt und sie wußten es. Ihre Kinder durften nicht vor seinem Haus spielen, sie mieden den Kontakt mit ihm, als wäre er aussätzig, und sie hätten es lieber heute als morgen gesehen, wenn er die Gegend verlassen hätte. So sah es aus. Würden solche Nachbarn für ihn einen Finger rühren, wenn er um Hilfe schrie?
Der gelbe Drache öffnete sein Maul.
Wie Nagelbretter sahen die Kiefer mit den kräftigen Zähnen aus.
Er wird dich zerfleischen! dachte Oliver Vegas zitternd.
Im selben Moment kreiselte er herum. Flucht war seine einzige Chance. Wenn es ihm gelang, die Garage zu verlassen und sich in seinem Arbeitszimmer einzuschließen, kam er vielleicht noch einmal mit dem Schrecken davon.
Das Drachenscheusal flitzte hinter ihm her.
Er erreichte die Tür, durch die er die Garage betreten hatte. Sie war offen. Er wollte durch den Rahmen springen, doch Hector Bose – oder das, was aus ihm geworden war – verhinderte es, indem er dem Gangster einen derben Stoß und der Tür einen harten Tritt versetzte.
Vegas schrie auf.
Er fiel gegen die Werkbank, die an der Garagenstirnseite stand. Gleichzeitig klappte die Tür mit einem lauten Knall, der sich wie ein Schuß anhörte, zu. Vegas verlor die Luger. Egal. Er brauchte sie sowieso nicht. Kraftvoll stemmte er sich von der Werkbank ab. Wie ein unüberwindbares Hindernis ragte das gelbe Scheusal zwischen ihm und der Tür auf. Diesen Fluchtweg konnte er vergessen. Aber es gab noch einen anderen.
Den zum Garagentor.
Vegas startete.
Der Drache spielte mit ihm Katz und Maus.
Vegas’ Schicksal war zu diesem Zeitpunkt bereits besiegelt. Das Monster weidete sich nur noch an der Todesangst seines Opfers. Der Gangster hetzte am Jaguar vorbei. Die Garage war groß. Vier Wagen hätte sie aufnehmen können. Nun kam sie dem Gangster zu groß vor. Das Tor war so weit weg. Draußen lag die stockfinstere Nacht.
Würde er in ihr schnell genug ein Versteck finden?
Das geschuppte Ungeheuer jagte auf der anderen Seite des Jaguar vorbei, überholte Vegas und hieb mit seinen Krallen nach ihm. Das häßliche Ratschen von Stoff war zu hören. Aber die Krallen des Scheusals erwischten nicht nur den Stoff, sondern auch das Fleisch des Opfers.
Oliver Vegas brüllte mit schmerzverzerrtem Gesicht auf. Er drehte sich und fiel gegen die Wand. Er sah sein Blut, und das machte ihn hysterisch. In seiner Panik wußte er kaum noch, was er tat. Das war die einzige Erklärung dafür, daß er sich auf den Drachen stürzte und ihm seine Fäuste gegen den gelb geschuppten Schädel hämmerte. Immer und immer wieder schlug er zu.
Das Monster packte ihn.
Vegas spürte, wie die Krallen in seinen Körper drangen.
Er sah, wie das Scheusal sein Maul weit aufriß. Und dann biß das Ungeheuer zu…
***
Obwohl Tucker Peckinpah und Mr. Silver da waren, lagen meine Beine auf dem Tisch. Ich bot das Bild des vollkommen entspannten, zufriedenen Mannes, der nach getaner Arbeit ein bißchen Ruhe und Erholung braucht. Neben mir stand ein Glas Pernod. Herz, was willst du mehr?
Peckinpah, ein sechzigjähriger Industrieller, der wohl kaum selbst wußte, wie reich er war, zählte seit Jahren zu meinem Freundeskreis. Er war mein Partner, hatte mich, den Privatdetektiv, auf Dauer engagiert, damit ich mich ohne finanzielle Sorgen dem Kampf gegen Geister und Dämonen widmen konnte. Das Konto, das mir der rundliche Mister Goldfinger – alles, was er anfaßte, wurde zu einem Erfolg für ihn – eingerichtet hatte, war beachtlich. Es gab keinen großzügigeren Mann als Tucker Peckinpah. Er handelte nach der Devise: Leben und leben lassen.
Natürlich hatte er auch an diesem Abend wieder die unvermeidliche Zigarre im Mund. Sein einziger Nachteil. Das fand ich jedenfalls, da ich Nichtraucher war.
Vicky Bonney, meine Freundin, und Roxane, die Hexe aus dem Jenseits, die seit einiger Zeit bei uns wohnte und Mr. Silvers Jugendliebe war, waren ins Kino gegangen, um sich
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