GK456 - Irrfahrt in die Zwischenwelt
Schwertarm.
Schmerzhaft drückten die Finger zu. Gleichzeitig wurde mir der Arm nach hinten gedreht, und ich war gezwungen, das Schwert fallen zu lassen.
»Genug getobt, Tony Ballard!« knurrte Arrgo, der mich entwaffnet hatte. »Entweder du ergibst dich, oder du stirbst hier - auf der Stelle!«
Ich entspannte mich. »Okay«, sagte ich keuchend. »Ich werfe das Handtuch.«
Arrgo grinste. »Das ist sehr klug von dir.«
Ich sah Roxane wieder. Das Haar hing ihr wirr in die Stirn. Ungebrochener Trotz funkelte in ihren Augen.
»Bringt sie zu den Pferden!« befahl Arrgo.
Wir wurden den Hügel hinuntergestoßen. Die grünen Schatten trieben uns auf eine kleine Lichtung zu, und es hätte mich gewundert, wenn die Pferde nicht gleichfalls wie Schatten ausgesehen hätten. Man fesselte mir Hände und Füße und warf mich quer über einen Sattel. Mit Roxane geschah dasselbe. Während ein Großteil der Markiasen beim Hügel blieb, brachte Arrgo uns mit einem kleinen Trupp fort.
Da baumelte ich nun wie eine Leiche auf diesem verdammten Gaul und konnte nichts tun, um freizukommen. Mir stieg das Blut in den Kopf, und es hämmerte quälend in meinen Schläfen.
Ich fragte mich, wohin Arrgo uns bringen würde, und ich vermutete, daß er uns Skup, seinem Herrn, dem Tyrann von Markia, präsentieren wollte. Ab und zu hob ich den Kopf, um zu sehen, wo wir waren. Der Wald ging in eine Steppe über. Ich roch das Wasser des nahen Flusses, konnte ihn jedoch nicht sehen. Die Pferde liefen sehr schnell, aber es bestand keinen Augenblick Gefahr, daß ich vom Sattel gerutscht wäre. Jeder Schritt des Tiers schüttelte mich jedoch kräftig durch. Ich versuchte, einen Rhythmus zu finden, in dem ich mitwippen konnte. Als ich ihn gefunden hatte, wurde meine Situation ein bißchen erträglicher.
Mitten in der Steppe entdeckte ich grüne Buckelhäuser. Wie in der Mitte auseinandergeschnittene Bälle sahen sie aus. Es gab größere und kleinere Bälle, aber alle waren grün.
Wir erreichten sie in erstaunlich kurzer Zeit. Die Hufe der Pferde klapperten über grünes Pflaster. Das Geklapper hallte in den winkeligen Gassen zwischen den Buckelhäusern wider.
Vor dem größten Gebäude hielt der Trupp, den Arrgo anführte. Wir wurden von den Pferden gehoben. Man schnitt uns die Fußfesseln durch. Die Handfesseln blieben. Eine derbe Faust stieß mich auf eine breite grüne Treppe zu. Ich stolperte die Stufen hinauf. Roxane ging neben mir.
Wir sahen schwerbewaffnete Wachen vor einem runden Tor. Als sie Arrgo sahen, standen sie stramm. Das Tor wurde geöffnet. Man schleppte uns in einen düsteren Innenhof, in dessen Mitte wir stehenbleiben mußten. Sechs Krieger umringten uns. Jedem hätte es vermutlich Freude bereitet, uns die Kehle durchzuschneiden.
»Wie geht es dir?« fragte ich Roxane.
»Einigermaßen«, gab die Hexe aus dem Jenseits ehrlich zurück. »Ich dachte, auf dem Pferd würde mir alles hochkommen, Was ich abends gegessen habe.«
Ich grinste schief. Mir ging es genauso.
»Weißt du, wo wir uns befinden, Tony?«
»Ich nehme an, in Skups Behausung.«
»Leider hast du recht.«
Arrgo hatte sich von uns entfernt. Vermutlich erstattete er dem Tyrann von Markia in diesem Augenblick Bericht.
»Was steht uns bevor?« wollte ich wissen.
»Keine Ahnung. Bei Skup weiß man nie, wozu er sich entschließt.«
»Ich muß immerzu an Silver denken.«
»Ich auch«, sagte Roxane und senkte traurig den Blick.
»Wir hätten noch so viel vor uns.«
»Ich gebe die Hoffnung nicht auf, daß wir unser Ziel erreichen, und ich hoffe, daß Silver so lange durchhalten kann«, flüsterte die Hexe.
Und dann kam Skup.
Ein großer, kräftiger grüner Schatten, dreiarmig wie alle Markiasen, und eingehüllt in einen scharlachroten Mantel. Sein Gürtel bestand aus goldgelbem Leder, und er trug an seinen Fingern Ringe mit roten, blauen und violetten Edelsteinen. Farben symbolisierten in diesem Land die Macht.
Arrgo ging neben ihm. Skupp schritt mächtig aus. Er war eine echte Persönlichkeit mit einer ungewöhnlichen Ausstrahlung, das spürte ich sofort. Er hatte die Macht in Markia an sich gerissen, knechtete sein Volk und trieb es immer wieder gegen Dargan in den Krieg.
Wenn es ihn nicht gegeben hätte, hätten die beiden Völker nebeneinander in Frieden leben können, aber er verzieh Prinzessin Ragu niemals, daß sie es abgelehnt hatte, seine Frau zu werden. Deshalb würde er auch nicht aufhören, Dargan anzugreifen, so lange, bis es keinen Dargonesen mehr
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