GK456 - Irrfahrt in die Zwischenwelt
Sie trat ans Fenster und blickte nach drüben. Wenn Lance zu Hause gewesen wäre, hätte Licht gebrannt. Aber alle Fenster waren dunkel.
Langsam drehte sich Vicky um. Ihr Blick blieb am Telefon hängen. Sollte sie Tucker Peckinpah, anrufen? Der Industrielle würde selbstverständlich sofort kommen, aber Vicky wollte ihn nicht behelligen. Peckinpah hatte erst kürzlich die Klinik verlassen. Er brauchte noch Schonung. Die Nachricht von Mr. Silvers Ableben würde ihn noch früh genug schocken.
Benommen vor Sorge und Trauer kehrte die Schriftstellerin zu Mr. Silver zurück. Schwerfällig ließ sie sich auf den Stuhl neben dem Bett fallen. Mr. Silver, Tony Ballards stärkste Waffe im Kampf gegen die Hölle, war aus dem Rennen.
Vicky vermochte es immer noch nicht zu fassen.
Sie legte die Hände auf ihr Gesicht und versuchte, den Schmerz niederzuringen, der sie zu überwältigen drohte.
Da passierte etwas, das sie erschreckte.
Sie hörte einen tiefen Atemzug. Ihre Hände fielen nach unten. Sie riß die Augen weit auf und starrte entgeistert auf Mr. Silvers Brust, die sich in diesem Moment weit hob und dann wieder senkte. Von diesem Augenblick an atmete der Ex-Dämon wieder.
Und von diesem Moment an vermochte Vickv Bonney ihre Freude nicht zu fassen, denn Mr. Silver war nicht tot. Er lebte. Er atmete. Und wenn Roxane und Tony Ballard rechtzeitig mit dem Zauberkraut zurückkommen würden, bestand die Chance, daß er wieder ganz gesundete.
Kein Wunder, daß Vicky Bonney darüber lachte und weinte zugleich…
***
Ramba, der Zauberer, kehrte nach Hause zurück. Es freute ihn, daß er Ragu, die bezaubernde Prinzessin, überzeugen konnte. Wehmütig dachte er an seine Tochter Ixa. Sie war genauso schön wie Ragu gewesen. Die jungen Männer von Dargan hatten ihr den Hof gemacht. Sie hätte an jedem Finger zehn haben können. Vielleicht hatte sie sich deshalb so lange für keinen entschieden.
Ramba war das ganz recht gewesen. Je länger Ixa bei ihm blieb, um so lieber war ihm das.
Eines Tages war Ixa mit Freundinnen zum Fluß gegangen.
»Ixa«, hatte Ramba mehrmals zuvor eindringlich gesagt, »Ixa, tu deinem alten Vater den Gefallen, und bleibe dem Fluß fern. Es ist gefährlich, sich dort aufzuhalten.«
»Ach, Vater, wie kann es denn gefährlich sein, sich auf darganesischem Boden aufzuhalten?« hatte Ixa erwidert.
»Gleich gegenüber beginnt Markia, und Skups grausame Krieger warten nur auf eine Gelegenheit, die Grenze zu überschreiten und einige von uns zu töten.«
»Meine Freundinnen kennen einen versteckten Seitenarm, wo man ungestört baden kann.«
»Ich bin dagegen, daß du dorthin gehst, Ixa.« Das hatte Ramba gesagt, aber Ixa war trotzdem gegangen. Sie hatte ihm nicht geglaubt. Ihr jugendlicher Leichtsinn, ihre Unbekümmertheit hatten sie das Leben gekostet.
Markianesische Krieger hatten die Grenze überquert und mehrere Mädchen gleich an Ort und Stelle getötet. Ixa und zwei andere Mädchen hatten sie nackt nach Markia verschleppt, und Skup hatte sie geschändet. Diese Schmach hatte Ixa nicht ertragen. Sie hatte sich mit Skups Dolch entleibt. Die beiden änderen Mädchen waren zu Tingo, der Dämonenschlange, gebracht worden.
Seither lebte Ramba nur noch für seine Rache. Tag und Nacht war er im Keller seines Hauses mit geheimnisvollen Ritualen beschäftigt. Er flehte Götter und Teufel um Hilfe an, und gestern war sein Flehen endlich erhört worden.
Das war der Grund gewesen, weshalb er sich zu Ragu begeben hatte. Er wollte, daß man ihm Skup brachte. Doch er dachte nicht wirklich daran, den Tyrann von Markia umzupolen. Er hatte sich für diesen grausamen Teufel etwas ganz anderes ausgedacht, doch davon wußte noch niemand.
Ramba breitete seine spindeldürren Arme aus. »Skup!« rief er mit drohender Stimme. »Die Stunde der Rache ist nicht mehr fern! Dann wirst du für deine Greueltaten büßen!«
***
Jemand zog ein Schwert aus der Scheide. Hinter mir! Ich warf mich zur Seite und versetzte gleichzeitig Ugar einen kraftvollen Stoß. Schon sauste die Klinge senkrecht herab. Sie hätte mir den linken Arm abgetrennt, wenn sie getroffen hätte. Mit dem Dolch in der Faust griff ich den Wächter an. Er zog das Schwert von unten nach schräg oben. Ich nahm den Kopf zur Seite und war mit einem rasanten Sprung hart am Mann. Die Dolchklinge fand ihr Ziel, der Markia-Krieger sackte wie vom Blitz getroffen zusammen.
»Gut gemacht, Tony!« lobte Ugar.
»Ich wollte, ich könnte mir anders helfen. Es
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