GK460 - Das Geisterdorf
keiner sprach aus, daß er Abel G. Koczak hinter den unheimlichen Vorgängen vermutete.
Tom Jessop arbeitete lustlos. Die Gedanken des Studenten pendelten zwischen Mags Avery und Abel G. Koczak hin und her. Tom hätte sich gern um Mags gekümmert, aber er hatte im Moment zuviel zù tun.
»He!« rief Debbie Messey. »Romeo! Sag mal, schläfst du? Du kannst doch nicht ununterbrochen an die Kleine denken.«
»Warum nicht?«
»Weil du hier bist, um zu arbeiten. Träumen kannst du, sobald wir dichtgemacht haben. Ach Gott, muß Liebe schön sein.«
»Davon müßtest du doch einiges verstehen.«
»Und ob, und ich sage dir: Verzehre dich niemals aus Liebe, davon wirst du höchstens krank. Genieße das Leben in vollen Zügen. Es ist ohnedies so kurz, und nimm mit, was du kriegen kannst.«
»Nach diesem Motto können nicht alle leben«, sagte Tom Jessop.
»Es ist die einzige Möglichkeit, mit möglichst wenig blauen Flecken auf der Seele über die Runden zu kommen«, stellte Debbie fest. »Und jetzt gib mir endlich die vier Krüge Bier, sonst verdursten uns noch die Gäste.«
Eine halbe Stunde später brachte Tom Jessop das Abendessen auf Mags’ Zimmer. Sein Herz hämmerte aufgeregt gegen die Rippen. Er klopfte. Mit leiser Stimme forderte Mags ihn auf einzutreten.
Sie befand sich allein im Raum. Ein Buch lag vor ihr auf dem Tisch. Ihr Onkel hielt sich immer noch bei Pater Morton auf.
»Ist Ihnen nicht langweilig?« fragte Tom verlegen.
»Nicht, wenn ich lese.«
»Ein gutes Buch?«
»Recht interessant«, antwortete Mags, ohne ihn anzusehen.
»Ich bringe Ihnen Ihr Essen.«
»Vielen Dank.«
»Ich würde Ihnen gern Gesellschaft leisten, aber Debbie schafft’s nicht allein. Erst wenn der erste Durst gelöscht ist, wird der Betrieb etwas ruhiger.«
»Gehen Sie nur.«
»Möchten Sie nicht runterkommen? Ich könnte für Sie einen Tisch freimachen.«
Mags schüttelte den Kopf. »Ich würde mich inmitten so vieler Männer nicht wohl fühlen. Haben Sie gehört, was heute geschehen ist?«
»Ja, Ihr Onkel hat sich phantastisch gehalten.«
Mags nickte. »Er ist ein mutiger Mann.« Sie machte eine Pause. Besorgnis trübte ihren Blick. »Ein Mann aus Stein. Trotzdem lebte er. Er wollte seine Frau umbringen. Weiß man, woher er kam?«
»Es gibt da so einige Vermutungen«, sagte Tom Jessop ausweichend.
»Tatsächlich?« Mags Avery wartete, daß er weitersprach, aber Tom sagte nur: »Man sollte sich Gewißheit verschaffen.«
»Ist das nicht gefährlich?«
»Noch gefährlicher ist es, den Kopf in den Sand zu stecken und nichts zu tun, denn dann verschwinden garantiert weitere Menschen aus Seltrick und tauchen als Steinmonster wieder auf.«
»Gott, wie schrecklich.«
In Tom Jessop reifte ein Entschluß. Was hatte er gesagt? Man sollte sich Gewißheit verschaffen. O ja, das wäre wichtig. Er dachte an die drei verschwundenen Dorfbewohner. Wenn sie nach Seltrick zurückkehrten, würden sie hier Angst und Schrecken verbreiten. Vielleicht würde einer sogar über die Nichte des Bischofs herfallen. Himmel, nein, zu so etwas Gräßlichem durfte es nicht kommen.
Es mußte endlich etwas unternommen werden.
Mags durfte nichts zustoßen.
Sie aß noch nicht. Erst nachdem er sich mit einem verlegenen Lächeln zurückgezogen hatte, setzte sie sich an den Tisch.
Und in Tom Jessops Kopf hämmerte von diesem Moment an nur noch ein Wort: Gewißheit! Gewißheit! Gewißheit!
Er kehrte in den Schankraum zurück. Debbie warf ihm einen ärgerlichen Blick zu. »Sag mal, hast du sie nicht mehr alle? Du kannst mich doch nicht die ganze Arbeit allein machen lassen.«
Tom band die Schürze ab.
Debbie riß die Augen auf. »Sehe ich richtig? Habe ich dich jetzt etwa beleidigt?«
»Ich mach’ Schluß für heute.«
»Fühlst du dich nicht wohl?«
»Doch, es geht mir gut.«
»Müde kannst du noch nicht sein, der Betrieb hat ja erst angefangen.«
Jessops Brauen zogen sich zusammen. »Es muß endlich etwas geschehen. Wir müssen uns Gewißheit verschaffen.«
»Gewißheit? Wovon redest du? Sag mal, bist du auf einmal nicht mehr ganz richtig im Kopf? Ist die Nichte des Bischofs daran schuld, daß dein Verstand plötzlich aushakt?«
»Es passieren schreckliche Dinge in unserem Dorf, Debbie. Davon rede ich.«
»Okay, es passieren Dinge, die mir Angst machen, und vielleicht arbeite ich deshalb mehr denn je, um nicht fortwährend daran denken zu müssen.«
»Es ist falsch, diese Gedanken zu verdrängen«, sagte Tom.
»Ist es besser,
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