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Glaenzende Geschaefte

Glaenzende Geschaefte

Titel: Glaenzende Geschaefte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Muenk
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als junger Mann, so erinnerte er sich, hätte er viel lieber Zivildienst geleistet, als den Hauptfeldwebel im »Iltis« durchs ostbayerische Grenzgebiet zu chauffieren. Löhring näherte sich dem Innersten der Festung. Ja, wenn er es sich recht überlegte, war dies eine Art von Konzerndienstverweigerung im Namen der Menschlichkeit.
    Die Dame vom »Brillenwechsel«-Programm hatte ihn beim Einführungsgespräch nochmals gefragt, ob er sich nicht eher einen Einsatz in der städtischen Suppenküche oder bei der Bahnhofsmission vorstellen könne. Was für ein Vorschlag! Nein, hatte Löhring geantwortet, wo andere aufhörten, da fange er erst richtig an, und um wirklich gut zu sein, müsse man konsequent die ganze Schlechtigkeit integrieren. Er wolle zu den harten Jungs, hatte er versichert und lächelnd hinzugefügt, er sei ja selbst einer. Sie hatte etwas schief zurückgelächelt und noch bemerkt, dass die Teilnehmer während der Maßnahme die Mitte finden müssten zwischen Empathie und Abgrenzung, um nicht verletzt zu werden und auch selbst nicht zu verletzen. Sie hatte gut reden, urteilte Löhring. Sozialpädagogin. Noch nie eine Firma von innen gesehen, die sollte ihm bloß nichts von notwendiger professioneller Distanz erzählen.
    Die Schleuse führte auf eine Art Pförtnerhäuschen zu, in dem zwei Beamte in Zivil saßen. Sie machten einen ausnehmend netten Eindruck, doch Löhring wollte jetzt endlich hinter Gitter und nicht wieder befragt oder befummelt werden. Dieses Mal verlangte man nach seinen Papieren. Nachdem er sich vorgestellt und seinen Personalausweis durch den Glasschlitz geschoben hatte, begann auf der anderen Seite ein Suchen in den Unterlagen. Man finde gar keine Strafakte. Und es könne doch nichtsein, dass er völlig unbegleitet sei. Seine Akte liege auch ganz woanders, erklärte Löhring. Unter normalen Bedingungen hätte er sich jetzt köstlich amüsiert. Doch er fand es nicht lustig und der Beamte hinter der Glasscheibe auch nicht.
    Der zweite Bedienstete, ein noch recht junger Mann in Jeanshemd und mit einem dieser neumodischen Schlüsselbänder um den Hals, sprang zu Hilfe: »Entschuldigung, Herr Dr. Löhring? Sie sind der Brillenwechsler, nicht wahr?« Er kam um das Häuschen herumgelaufen, noch bevor Löhring antworten konnte, und gab ihm die Hand. »Herzlich willkommen bei uns. Haben Sie gut hergefunden? Ist alles okay? Der Schritt über unsere Schwelle ist ja ein wenig gewöhnungsbedürftig für jeden Besucher.«
    »Mir geht es hervorragend. Aber Sie müssen Ihren Kollegen am Empfang mal etwas trainieren. Kennt man mich denn nicht?«
    Der Mann im Jeanshemd fuchtelte ein wenig hilflos mit den Händen durch die Luft. »Doch, schon. Ich weiß auch nicht. Entschuldigen Sie bitte, dass Sie da aufgehalten wurden. Wir müssen eben ein wenig vorsichtig sein. Auch zu Ihrem eigenen Schutz.«
    »Ich bitte darum.« Löhring wollte das Thema nun nicht weiter vertiefen. »So, Sie haben also die Schlüsselkompetenz hier?« Er musterte sein Gegenüber.
    »Wenn Sie so wollen.« Mit diesen Worten reichte der Beamte Löhring ein kleines Ansteckschild, auf dem »Besucher« stand.
    Löhring nahm es, las auch das Kleingedruckte – »Dr. Wilhelm Löhring, Teilnehmer Brillenwechsel-Programm« – und heftete es sich gleich ans Hemd.
    Sein Name stehe auf dem Kopf, bemerkte der Beamte. Doch Löhring meinte, das würde ihn nicht weiter stören. Der Beamte fuhr fort: »Wie auch immer, ich würde vorschlagen, dass wir zunächst einen kurzen Rundgang machen und Sie anschließend Herrn Kellermann kennenlernen, Ihren Bezugshäftling.« Der schlaksige junge Mann schritt forsch voran, weiter ins Innere, und Löhring folgte.
    »Sagen Sie, hier sitzen nur Männer ein, nicht wahr?«
    »Ja. Dies ist kein Frauengefängnis. Von denen gibt’s auch nicht so viele.«
    »Frauen?«
    »Nein, weibliche Häftlinge. Es sind durchschnittlich etwa dreißig Mal mehr Männer inhaftiert als Frauen.«
    »Eine sehr ordentliche Quote trotzdem. Immerhin.«
    Löhring blickte nach oben, als sie in eine Art Foyer kamen, von dem sternförmig die Gänge mit den Zellentüren abzweigten, das Ganze über eine Höhe von fünf Etagen. Über dem Foyer, auf Höhe der ersten Etage, hing ein Netz, was der Halle etwas seltsam Dynamisches gab. »Ist das eine Art Installation?« Es klang ein wenig kehlig, denn er hielt seinen Kopf immer noch im Nacken, versuchte das zu überblicken, was sich da über ihm auftat.
    »Nein, das ist eine Selbstmordsicherung. Schon

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